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Der Weg nach Xanadu

Der Weg nach Xanadu

Titel: Der Weg nach Xanadu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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Schlaf brauchte ich jetzt wirklich. Vorher wollte ich allerdings
noch einen Blick auf das Buch werfen, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Da
erschien Mauds Kopf im Türrahmen.
    »Ich hab Ihnen ein Aspirin aufs
Nachtkästchen gestellt«, sagte sie fürsorglich, aber nicht ohne einen Unterton
erzieherischer Strenge. »Danke«, sagte ich, ließ das Buch liegen und ging in
mein Zimmer.
    Binnen weniger Minuten war ich
eingeschlafen, als wäre nichts geschehen.

Einundzwanzig Maud und ihr Mann saßen schon beim Frühstück, als ich die Küche betrat. Nach
dem Aufwachen hatte ich einige Zeit darauf verwendet, meinem Äußeren einen
zivilisierten Anstrich zu verleihen. Haare waschen, frisches Hemd aus dem
Rucksack, Naßrasur.
    »Guten Morgen!« sagte ich. Es
sollte fröhlich klingen, irgendwie normal, einfach gesund.
    »Morgen«, sagte Henderson mit
vollem Mund, »Rausch ausgeschlafen?«
    »Ich denke doch«, sagte ich
kleinlaut. Es war nicht der richtige Moment für eine Richtigstellung. »Speck
und Eier?« fragte Maud. Ich nickte. »Und eine Tasse Kaffee wäre wunderbar.«
    »Gibt nur Tee«, sagte
Henderson, »ist gesünder.« Gut, dann eben Tee.
    »Darf ich?« fragte ich und
deutete auf den leeren Sessel am Küchentisch. Henderson zeigte mir wortlos
seine offene Handfläche; war mir nicht ganz sicher, was das heißen sollte.
»Aber gerne« kam genauso in Frage wie »Kostet extra«. Wahrscheinlich war er nur
angewidert von der Höflichkeit, die mir wie Sirup aus dem Maul troff.
    Ich nahm Platz und begann
sofort mit der Entschuldigungssuada wegen meines unerlaubten Eindringens in
ihre Rumpelkammer, gefolgt von einer pompösen Darstellung der Wichtigkeit
meiner Entdeckung.
    Henderson erwies sich als
Pragmatiker. »Sie wollen also weiter hier rumschnüffeln«, sagte er und legte
bedächtig das Besteck zur Seite. »Ja«, sagte ich, »ich meine nein.
Recherchieren möchte ich gerne noch ein paar Tage, vielleicht eine Woche.«
    »Recherchieren«, wiederholte
er. Es klang aus seinem Mund wie eine besonders häßliche Perversion. »Dann
belegen Sie also zwei Zimmer. Macht vierzig Pfund pro Nacht.«
    »Und zwei Pfund pro Guinness«,
ergänzte Maud. Die beiden waren ein hervorragend eingespieltes Team, keine
Frage.
    »Gut«, sagte ich.
    »Also abgemacht«, sagte
Henderson und grinste.
    Maud stand auf und warf zwei
Eier und zwei Streifen Speck in die Pfanne.
    Wir waren alle zufrieden; den
Rest des Frühstücks verbrachten wir in trauter Schweigsamkeit.
     
    Wieder im Gästezimmer, hockte
ich mich aufs Bett und rang um Fassung. Obwohl ich es kaum aushielt, nicht
sofort das Zimmer meiner Träume zu durchforsten, zwang ich mich, einen
Ablaufplan für die nahe Zukunft zu erstellen. Zuerst mußte ich mein Gepäck von
Lynton zur Farm befördern; mit dem Bus und zu Fuß war das nicht zu bewältigen.
Die nächste Autovermietung befand sich vermutlich in Minehead oder Taunton.
Blieb nur Hendersons Landrover. Mein Bankbeamter würde Stammgast werden in
meinen Träumen. Die Vorstellung, daß Henderson und ich gemeinsam nach Lynton
fuhren und uns mindestens zwei Stunden lang in einer Situation befanden, die
eine Unterhaltung zumindest nahelegte, trieb mir Schweißperlen auf die Stirn.
Es gab nur einen Weg: ich mußte ihn überreden, mir seinen Rostkübel
anzuvertrauen. Meditierte noch kurz über einer besonders stoisch blickenden
Dogge auf dem Tableau, dann ging ich Henderson suchen.
    Er war im Hof und fütterte die
Hühner.
    Mein Anliegen überraschte ihn
nicht. »Hab mir schon gedacht«, sagte er, »daß Sie Ihr Zeug hierherschaffen
müssen.« Er bot mir an, mich um das vernachlässigbare Salär von dreißig Pfund
nach Lynton und zurück zu chauffieren. Es liege mir fern, ihn von seiner Arbeit
abzuhalten, entgegnete ich, außerdem sei ich ein hysterischer Beifahrer. Was es
denn kosten würde, den Wagen auszuleihen.
    Seinen Blick abschätzig zu
nennen wäre eine Untertreibung. »Sie in meinem Landrover«, sagte er, »das
riecht nach Totalschaden«.
    Er nannte mir eine Summe, die
mich dann doch aus der Reserve trieb.
    »Ich will Ihren Haufen Schrott
leihen, nicht kaufen«, sagte ich wütend. Diese Reaktion beruhigte ihn
offensichtlich. Wäre ich auf sein Angebot eingegangen, hätte er mich vermutlich
für einen gefährlichen Verrückten gehalten.
    Wir einigten uns auf einen
Preis, ich unterschrieb ein Versicherungspapier, und er händigte mir die
Schlüssel aus. Henderson stand neben dem Wagen, als ich einstieg. Hände in den
Hosentaschen,

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