Der Weg nach Xanadu
mit Dusche und sogar einen
kleinen Kühlschrank. Das Fenster führte auf den Hinterhof, wo allerlei Getier
sich tummelte, zwei Hirtenhunde, Hühner und sogar ein Schaf. Über dem Bett
hingen zwei große Tableaus, »Hunderassen aus England und Wales« und »Schafe
Britanniens«.
»Wenn Sie was wollen«, sagte
Henderson, »kommen Sie einfach runter in die Küche. Maud macht Ihnen was.«
Langsam freundete ich mich mit
der Urgewalt seiner Sätze an. Kein unnötiger Sprachballast mehr, jeder falsche
Schmuck als Sandsack enttarnt und gnadenlos über Bord geworfen. Bewundernswert.
»Danke«, sagte ich, »vielleicht
später.«
Als Henderson gegangen war,
stürzte ich mich mit banger Erwartung auf die Kühlschranktür. Tatsächlich, ein
Sixpack Guinness. Erinnerte mich an die Freude, wenn ich als Kind ein Osternest
voller Schokoladeneier gefunden hatte. Dazu noch ein paar Sandwiches von
Hendersons Maud, später, und ich war versorgt.
Nach dem ersten Schluck
studierte ich die Hunderassen; versteckt zwischen Pudeln, Doggen und Beagles
fand ich die Abbildung eines weißen Jagdhundes mit rot kolorierten Ohren.
»Höllenhund, auch Satanshund«, erklärte die winzige Bildunterschrift,
»walisisch Cwm Annwm.« Passender Name für das Vieh meiner Träume.
Natürlich mußte ich vorsichtig
vorgehen. Henderson traute mir nicht über den Weg, und wenn ich bei hellichtem
Tag in den Gängen der Farm herumschnüffelte, hetzte er mir vielleicht seinen
Köter an den Hals. Die Privaträume konnte ich vergessen. War auch schwer
vorstellbar, Henderson im karierten Pyjama, mit einer umfunktionierten
Bartbinde über der Stirn, schnarchend neben Maud in meinem Traumzimmer.
Es war schon später Nachmittag;
ich konnte nur hoffen, daß sie früh schlafen gingen. Nach unten zu gehen und
Essen zu bestellen war riskant; saß ich bei den beiden in der Küche, konnten
sie unangenehme Fragen stellen. Wenn dann mein Lügengebäude im Gebälk zu
krachen begann, würde Hendersons Argwohn weiteres Futter bekommen. Und wer
weiß, wie schlau diese Maud war. Unauffälligkeit ist die beste Freundin des
Detektivs, sagte schon Philip Marlowe. Oder Sam Spade. Schweren Herzens
beschloß ich, auf die Sandwiches zu verzichten. In meinem Rucksack lagerte
stets Notproviant; ein bis zwei Dosen Corned Beef und eine Packung Cracker
würden mich über den Verlust hinwegtrösten. Und die Wartezeit bis zur Dämmerung
konnte ich mit dem Studium britischer Schafsrassen überbrücken.
Erfreulicherweise waren die
Wände der Farm, was die Akustik betraf, äußerst durchlässig. Ich hörte die
Schritte unter mir, ein gedämpftes Murmeln, manchmal verstand ich sogar ein
Wort. Eigentlich brauchte ich nur zu warten, bis die Stille die Geräusche
restlos verschluckt hatte; andererseits konnte mir die Hellhörigkeit des
Gemäuers zum Verhängnis werden, wenn schon das Quietschen einer Tür ausreichte,
um das Paar aus dem Schlaf zu reißen. (Wieso Paar, fiel ich mir gewissermaßen
gedanklich ins Wort, wer sagt denn, daß sie nicht seine Schwester ist, oder
seine Tochter? Was macht das für einen Unterschied, entgegnete ich belästigt,
zwei Schlafzimmer, sagte ich, vielleicht ist eins sogar im Obergeschoß, und
dann ist Schluß mit Herumspionieren!) Mit Selbstgesprächen dieser Art garnierte
ich mein frugales Dinner. Nach dem Öffnen der dritten Dose Corned Beef, jener
eisernen, nur in aussichtslosen Notfällen anzutastenden Reserve, hörte ich, wie
sich die Geräusche unten verlagerten. Schritte auf dem Korridor, eine Tür, die
ins Schloß fiel, dann wieder Gesprächsfetzen, aber viel weiter weg, schließlich
das Gurgeln einer Spülung.
Ob sie nun ein Paar waren oder
nicht, sie gingen gemeinsam im selben Zimmer zu Bett. Sobald die finale Ruhe
eingekehrt war, konnte ich die Taschenlampe zücken und wie die Parodie einer
Figur von Chandler oder Hammett durch die Gänge streichen.
Die Pirsch war enttäuschend; im
Erdgeschoß fand ich nur zwei Türen, eine führte in die Küche (der kreisende
Lichtkegel meiner Taschenlampe beseitigte alle Zweifel: es war eine Küche,
nichts weiter), die andere ins Schlafzimmer: Tabu für mich, bis ans Ende aller
Tage. Es sei denn, ich riskierte eine Ladung Schrot in den Unterleib. Oder
vergiftete die beiden langsam mit Arsen, im Laufe eines mehrmonatigen
Aufenthalts, um nach Abschluß ihres nicht enden wollenden Todeskampfes
triumphierend jenes Zimmer zu betreten, das sie mir verboten hatten; reulos
über ihre noch lauwarmen Leichen gebeugt, würde
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