Galeeren in der Ostsee
Die Auserwählten
Admiral Sir George Beauchamp streckte seine dürren Hände dem prasselnden Kaminfeuer entgegen und rieb die Innenflächen langsam gegeneinander, um die Blutzirkulation zu beleben.
Seine kleine, etwas gebückte Gestalt wirkte in dem schweren Uniformrock mit den großen goldenen Epauletten zerbrechlich, aber in seinem Wesen und dem Ausdruck seiner Augen war keine Schwäche zu entdecken.
Die Fahrt von London nach Portsmouth im Herbstregen und auf tief ausgefahrenen Straßen war lang und ermüdend gewesen. Und die eine Nacht, die Beauchamp sich im
George Inn
am Portsmouth Point ausruhen wollte, war durch einen heftigen Sturm gestört worden, der selbst den Solent mit weißen Wellenköpfen bedeckt hatte und alle Schiffe – mit Ausnahme der größten – irgendwo unter Land Schutz suchen ließ.
Beauchamp wandte dem Feuer den Rücken zu und musterte seinen Privatraum, denselben, den er immer bezog, wenn er nach Portsmouth kam, wie viele bedeutende Admirale vor ihm. Der Sturm hatte nachgelassen, und die dicken Glasfenster glänzten wie Metall im warmen Sonnenlicht, eine Täuschung, denn auf der anderen Seite der soliden Wände war es kalt und nahezu schon winterlich.
Der kleine Admiral stieß einen tiefen Seufzer aus, was er sich nie erlaubt hätte, wenn jemand bei ihm gewesen wäre. Es war Ende September des Jahres 1800 und England im siebten Kriegsjahr mit Frankreich und dessen Verbündeten.
Manchmal schon hatte Beauchamp seine Altersgenossen beneidet, die sich auf allen Weltmeeren mit ihren Flotten, Geschwadern, Flottillen herumtrieben. Aber bei einem Wetter wie diesem war er mehr als zufrieden mit seinem Posten in der Admiralität, wo sein scharfer Verstand ihm viel Anerkennung als Planer und Stratege eingebracht hatte. Beauchamp hatte mehr als einen Flaggoffizier seines Postens enthoben und anderen, jungen Leuten, deren Fähigkeiten und Erfahrungen bisher übersehen worden waren, sein Vertrauen geschenkt.
Sieben Jahre Krieg. Er wendete den Gedanken im Geiste noch einmal hin und her. Es hatte Siege und Niederlagen gegeben, tapfere Männer und Narren, Meutereien und Triumphe. Gute Schiffe hatte man nahezu verschrotten lassen, bis der Feind unmittelbar vor den Toren stand. Beauchamp hatte es alles miterlebt. Und er hatte neue Führergestalten emporsteigen gesehen, die die Stelle der Versager und Tyrannen einnahmen: Collingwood und Troubridge, Hardy und Saumarez, und Horatio Nelson natürlich, der Liebling des Volkes.
Beauchamp gedachte seiner mit einem dünnen Lächeln. Nelson – das war ein Mann, wie das Land ihn brauchte, die Personifikation des Sieges. Aber er konnte sich nicht vorstellen, daß der Held vom Nil es am Schreibtisch in der Admiralität aushalten würde, so wie er: bei endlosen Sitzungen, die Ängste des Königs und der Parlamentarier zerstreuend, die Zaghaften zu entschlossenem Handeln antreibend. Nein, entschied er, Nelson würde keinen Monat in Whitehall durchhalten, nicht länger jedenfalls als er, Beauchamp, an Bord eines Flaggschiffs. Beauchamp war über sechzig und sah auch so aus. Manchmal fühlte er sich noch viel älter.
Es klopfte diskret an die Tür, und sein Sekretär schaute vorsichtig herein. »Sind Sie bereit, Sir George?«
»Ja.« Es klang wie ›selbstverständlich‹. »Er soll heraufkommen.« Beauchamp hörte nie auf zu arbeiten, und von Zeit zu Zeit freute es ihn zu beobachten, wie seine Planungen Früchte trugen, wie die von ihm zu Führerschaft und Befehlsgewalt Auserwählten sich entwickelten und seinen eigenen strengen Maßstäben gerecht wurden.
Wie sein Besucher zum Beispiel. Beauchamp sah zur polierten Tür hinüber, die das Sonnenlicht auf eine Karaffe mit Rotwein und zwei schön geschliffene Gläser zurückwarf.
Richard Bolitho, manchmal halsstarrig, andererseits aber unorthodox, war einer von Beauchamps Erfolgen. Erst vor drei Jahren hatte er ihn zum Kommodore einer Handvoll Schiffe ernannt und ins Mittelmeer geschickt, um die Absichten der Franzosen auszukundschaften. Das Ergebnis war inzwischen schon Geschichte: Bolithos entschlossenes Handeln und das spätere Erscheinen von Nelson mit einer ganzen Flotte hatte zur »Battle of the Nile« geführt, bei der die französischen Geschwader und Napoleons Hoffnungen auf eine Eroberung Ägyptens und Indiens zerstört worden waren.
Jetzt war Bolitho hier, als frisch beförderter Konteradmiral, ein Flaggoffizier mit großer Verantwortung, aber auch mit vielen Zweifeln belastet.
Der Sekretär öffnete
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