Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
konnte.
Um seine regelmäßige Anwesenheit in diesem Stadtviertel zu rechtfertigen, kaufte er eine repräsentative Eigentumswohnung mit zwei Schlafzimmern auf der ersten Etage des an sein Geheimbüro angrenzenden Gebäudes. Sie war luxuriös ausgestattet und bildete eine perfekte Fassade. Er verbrachte dort mehr Nächte als in seinem Besitz in den West Hills und seinem Strandhaus an der Küste bei Depoe Bay. Die Zeit, die er benötigte, um aus der Eigentumswohnung in sein Versteck zu gehen, hatte er genau gemessen. Es waren nur drei Minuten. Von dort wurden Wohnzimmer und Eingangsbereich der Wohnung kameraüberwacht. Neben der Liveübertragung fand auch eine ständige Videoaufzeichnung statt. Die aufwendige elektronische Hardware diente ausschließlich seiner eigenen Sicherheit. Er hatte in den Schlaf- und den Badezimmern bewusst keine Kameras installieren lassen, weil er wusste, dass auch andere Leute gelegentlich als Gäste bei ihm wohnen würden, wenn er die Wohnung selbst nicht benutzte. Er mochte einige unangenehme Charaktereigenschaften aufweisen, aber Voyeurismus gehörte nicht dazu.
Jeder, der ihn mit seinem Wagen in die Tiefgarage fahren sah, würde annehmen, dass er die Nacht in seiner Eigentumswohnung verbrachte, was in der Regel ja auch zutraf. Er gehörte hier inzwischen zur gewohnten Alltagsroutine. Seine An- oder Abwesenheit erregte keine besondere Aufmerksamkeit, und das war genau, was er wollte. Doch nun, in diesem Zustand erhöhter Ängstlichkeit und Anspannung, verhielt sich Tony noch vorsichtiger als sonst. Er änderte seine Routineabläufe gerade so viel, dass er bemerken würde, wenn ihn jemand verfolgte, aber nicht so sehr, dass es in seiner Umgebung auffiel.
Was er nicht verstehen konnte, war, warum er überhaupt verfolgt wurde, welche Motive und Absichten dahintersteckten. Er hatte viele Brücken hinter sich abgebrochen, gerade in letzter Zeit, und er vermutete, dass darin die Erklärung zu suchen war. »Es muss etwas mit Geld zu tun haben«, mutmaßte er. Ging es nicht letztlich immer um Geld? Vielleicht steckte seine Exfrau dahinter? Vielleicht hatten seine Teilhaberetwas ausgeheckt, um ihm seinen Anteil abzujagen, oder war es ein Konkurrent? Tony brachte Stunden, Tage damit zu, die Daten jeder früheren und aktuellen geschäftlichen Transaktion zu überprüfen, auf der Suche nach einer Ungereimtheit, doch er entdeckte nichts. Dann vertiefte er sich in die Geschäfte der Holdings, wieder auf der Suche … wonach? Etwas Auffälligem, einer Erklärung für das, was mit ihm geschah. Er stieß auf einige Anomalien, doch wenn er seinen Partnern vorsichtig diesbezüglich auf den Zahn fühlte, wurden diese Dinge schnell und geräuschlos korrigiert oder auf eine Weise erklärt, die völlig im Einklang mit jenen Prozeduren stand, die er selbst eingeführt hatte.
Trotz der schwierigen Wirtschaftslage liefen die Geschäfte gut. Tony war es gewesen, der seine Partner davon überzeugt hatte, genügend Kapitalreserven aufzubauen. Daher kauften sie nur sehr vorsichtig neue Immobilien hinzu und investierten in Geschäfte mit sicherer Rendite, was sie unabhängig von den Banken machte, die inzwischen übervorsichtig geworden waren und kaum noch Kredite vergaben. Derzeit war er der Held der Firma, aber das beruhigte ihn keineswegs. In dieser Branche durfte man sich keine Atempause gönnen, und jeder Erfolg bedeutete, dass die Messlatte immer noch höher gelegt wurde. Es war eine kräftezehrende Art zu leben, aber andere, weniger stressige Optionen kamen für ihn nicht in Betracht. Er wäre sich dann verantwortungslos und faul vorgekommen.
Er hielt sich immer weniger in der Firma auf. Nicht dass die Leute dort scharf darauf gewesen wären, mehr Zeit als nötig in seiner Nähe zu verbringen. Seine zunehmende Paranoia machte ihn noch reizbarer als sonst. Wegen jeder Kleinigkeit fuhr er aus der Haut. Sogar seine Teilhaber zogen es vor, wenn er von zu Hause aus arbeitete, und wenn das Licht in seinem Büro nicht brannte, seufzten alle erleichtert und arbeiteten viel besser und konzentrierter.
Aber dass er nun mehr Zeit für sich selbst hatte, verschaffte ihm keine Erleichterung, sondern seine Angst brach erst recht hervor, dieses Gefühl, dass irgendwer oder irgendetwas es auf ihn abgesehen hatte, ihm eine geheime Aufmerksamkeit widmete, die ihm ganz und gar unwillkommen war. Zu allem Überfluss meldeten sich auch noch seine Kopfschmerzen zurück, und zwar mit aller Macht. Diese Migräneanfälle begannen
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