Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
vor allem du und Jake, wollte ich dir plötzlich etwas schenken, etwas, das mir besonders kostbar ist.«
Erst da bemerkte er, dass sie etwas in ihrer Faust verbarg. Was immer es sein mochte, es passte in die zarte Hand dieser Frau, die schon jetzt kleiner war als er. Sie streckte sie ihm entgegen und öffnete sie langsam. In ihrer Handfläche lag eine mit Mehl bepuderte Halskette, an der ein Goldkreuz befestigt war, fragil und feminin.
»Hier. Ich möchte, dass es ab jetzt dir gehört. Deine Großmutter hat es mir geschenkt, und sie hat es von ihrer Mutter bekommen. Ich dachte, ich würde es eines Tages einer Tochter schenken, aber ich glaube, das wird nicht geschehen, und ich weiß nicht, warum. Aber als ich heute an dich gedacht und für dich gebetet habe, schien es plötzlich der richtige Tag zu sein, um es dir zu schenken.«
Tony hatte nicht gewusst, was er anderes tun sollte, also öffnete er seine Hand, und seine Mutter ließ die fein gearbeitete Kette mit dem zarten Goldkreuz daran hineingleiten.
»Ich möchte, dass du sie eines Tages der Frau schenkst, die du liebst, und ich möchte, dass du ihr erzählst, woher sie stammt.« Jetzt liefen ihr die Tränen übers Gesicht.
»Aber, Mom, du kannst sie ihr doch selbst schenken.«
»Nein, Anthony, das spüre ich ganz deutlich. Ich verstehe nicht genau, warum, aber du wirst die Kette weiterverschenken, nicht ich. Versteh mich nicht falsch, ich habe natürlich vor, dann noch da zu sein, aber so, wie meine Mutter sie mir geschenkt hat, schenke ich sie jetzt dir, damit du sie der Frau schenkst, die du liebst.«
»Aber woher weiß ich, welche die Richtige ist …?«
»Das wirst du«, sagte sie. »Glaube mir, das wirst du!« Sie drückte ihn an sich, hielt ihn lange in ihren Armen, ohne an das Mehl zu denken, mit dem sie ihn einstaubte. Es war ihm auch egal gewesen. Er hatte das alles nicht verstanden, aber gespürt, wie wichtig es war.
»Halte dich immer an Jesus, Anthony. Du kannst nicht fehlgehen, wenn du auf Jesus baust. Und glaub mir«, sie löste sich ein Stück von ihm und schaute hoch in seine Augen, »wenn du dich an ihn hältst, dann wird er dich niemals verlassen.«
Zwei Tage später war sie nicht mehr, ausgelöscht durch die selbstsüchtige Entscheidung eines anderen, nur wenige Jahre älter als er. Die Halskette lag jetzt in seinem Safe. Er hatte sie nie aus der Hand gegeben. Hatte sie es gewusst? Oft hatte er sich gefragt, ob es eine Vorahnung gewesen war, eine Warnung oder eine Geste Gottes, damit ihm ein Erinnerungsstück von ihr blieb. Sie zu verlieren hatte sein Leben zerstört, ihn auf einen Karrierepfad geschickt, der ihn zu dem gemacht hatte, der er heute war: stark, hart und in der Lage, Dingen standzuhalten, die andere überforderten. Aber es gab Augenblicke, flüchtig und schwer fassbar, in denen das sanfte Sehnen sich in seine harte Schale hineinschlich und für ihn sang oder zu singen ansetzte, denn solche Musik sperrte er schnell wieder aus.
War Jesus immer noch an seiner Seite? Tony wusste es nicht, aber er zweifelte stark daran. Er hatte nur noch wenig mit seiner Mutter gemeinsam, aber wegen ihr hatte er die Bibel und einige andere ihrer Lieblingsbücher gelesen, versucht, auf den Seiten von Lewis, MacDonald, Williams und Tolkien einen Hauch ihrer Gegenwart zu finden. Für kurze Zeit ging er sogar zu der Gruppe Junger Christen an seiner Highschool und versuchte dort, mehr über Jesus herauszufinden. Aber das Heimsystem, in dem er und sein Bruder gelandet waren, schob sie von Heim zu Heim und Schule zu Schule hin und her, und wenn jedes Hallo schon den nächsten Abschied in sich trägt, wird es schmerzhaft, sich auf Freundschaften und Gruppenaktivitäten einzulassen. Tony bekam das Gefühl, dass Jesus genauso Lebewohl zu ihm gesagt hatte wie alle anderen auch.
Dass nun Jesus auf seiner Liste vertrauenswürdiger Personen stand, überraschte ihn selbst. Er hatte in den letzten Jahren wenig an ihn gedacht. Auf dem College hatte er sich für kurze Zeit wieder auf die Suche begeben, aber nach einem Semester mit Gesprächen und Studien hatte er Jesus auf die Liste der großen toten Lehrer verbannt.
Dennoch verstand er, warum seine Mutter so vernarrt in Jesus gewesen war. Wer hätte ihn nicht gemocht? Er war ein echter Mann und doch gut zu Kindern, gütig gegenüber jenen, die von Religion und Kultur abgelehnt wurden, ein Mensch voller ansteckendem Mitgefühl, jemand, der den Status quo infrage stellte und doch jene liebte, die er
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