Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
damals den Seniorenkreis unserer Kirche, den ich 15 Jahre lang leitete. Und ich habe das getan, was ich Trauernden jetzt auch rate: Sie sollen sich freireden. Ich habe nur Schönes von meinem Mann erzählt, aus den Erinnerungen habe ich neue Kraft geholt. Wir waren 40 Jahre verheiratet. Nach dem Krieg waren wir beide Jugendleiter in der Neuapostolischen Kirche, bei der Vorbereitung eines großen Festgottesdienstes durch unseren Stammapostel lernten wir uns 1947 kennen. Manche fragen, wie konntet ihr euch nach zwei Wochen verloben? Da sagten wir: »Wir hatten den gleichen Glauben, gleiche Aufgaben und gleiche Ansichten.«
Unser erstes Kind wurde 1949 geboren, das sechste 1961 . Von 1948 bis 1954 wohnten wir in einer Einzimmerwohnung von 38 Quadratmetern in Altona, zuletzt zu fünft. Trotzdem hatten wir oft Gäste. Das sechste Kind ist in diesem Haus geboren. Mein Mann verkaufte Häuser für eine Baugenossenschaft. Wir hatten oft wenig Geld, aber ich empfand das nicht als Armut, weil wir immer gut gekleidet waren und satt wurden. Mein Schwiegervater hatte einen großen Garten, und wir waren mit wenig zufrieden. Mein Sohn sagte einmal: »Mutti, eine Eisenbahn brauchst du mir nicht zu schenken. Ich gehe zu meinem Freund.« Wenn eines der Kinder von oben bis unten eingekleidet wurde, machten wir daraus ein Fest. Zu Hause wurden die neuen Sachen wie auf dem Laufsteg vorgeführt.
Ein Leben ohne eigene Familie kann ich mir schlecht vorstellen, ich hätte mich wahrscheinlich um andere Kinder gekümmert. Ich habe ja jetzt auch noch viele zusätzliche Enkel, Kinder von Freunden und Menschen, die bei mir gewohnt haben. Früher wurde ich oft gefragt: Wie schafft man es mit so einer großen Familie? Es klappte, weil jeder eine Aufgabe hatte. Heute wird Kindern viel abgenommen, sie werden überall hingefahren, dadurch können sie zu wenig leisten. Andererseits sind sie völlig verplant. Ich denke, die Kindheit meiner Kinder war unbeschwerter, sie hatten mehr Freiraum. Weil es kaum Verkehr gab, konnten sie auf der Straße spielen. Wir hatten lange Zeit kein Auto, sind weite Weg zu Fuß gegangen und haben dabei intensive Gespräche geführt, besonders, wenn ich mal mit einem Kind allein war. Ich versuche auch jetzt, mich ab und zu mit jedem Enkel einzeln zu unterhalten. Man kann Enkel mehr genießen, hat mehr Zeit und Abstand. Auch durch meine Untermieter habe ich Kontakt zur jungen Generation.
Das Wichtigste, was ich meinen Kindern mitgeben wollte, ist der Glaube. Dann die Fähigkeit, mit anderen Menschen freundlich umzugehen, Herzlichkeit. Wichtig ist, dass sie Frieden halten, nicht nachtragend sind und vergeben können. Harmonie ist für mich sehr wichtig. Vielleicht schlucke ich deshalb manchmal zu viel. Wenn mich jemand runtermacht, kann ich mich schlecht wehren. Nur in Träumen sage ich manchen Leuten ordentlich Bescheid. Manchmal werfe ich mir vor, dass ich mit meinen Kindern über einige Themen zu wenig geredet habe, zum Beispiel über Partnerwahl. Und Sexualität war ja früher ein Tabu. Heute sind Filme voller Liebesszenen. Das stört mich nicht grundsätzlich. Aber vieles Gezeigte ist primitiv, gemein und hässlich. Es heißt oft: Man muss Jugendliche realistisch erziehen, sie sollen die Welt sehen wie sie ist. Aber Jugend soll doch Vorbilder mitbekommen, Schönes in sich aufnehmen.
Für meinen Mann und mich war Sex etwas Heiliges. Diese innigste Vereinigung war ein Himmel auf Erden, weil die Seele mitschwang, weil wir uns liebten. Ich habe es förmlich gespürt, wenn ein Kind entstand. Aber wir hatten nicht den Vorsatz: Wir zeugen jetzt ein Kind. Sexualität selbst war Glück. Mein Mann war sehr zurückhaltend, er hatte Scheu, vor anderen Leuten Zärtlichkeit zu zeigen. Ich erinnere noch: Einmal saß die Familie um den Tisch, ich kam aus der Küche und habe ihn von hinten umschlungen und geküsst. Da rief unser Sohn: »Die küssen sich, die küssen sich.« Mein Mann liebte seine Familie sehr und setzte seine ganze Kraft für andere ein.
Natürlich hatten wir auch Meinungsverschiedenheiten. Aber wenn wir in die Kirche gingen, mitunter noch maulend, erlebten wir im Gottesdienst so viel Schönes, bekamen oft sogar die Antwort auf unsere Fragen, dass wir hinterher über unseren Streit lachen konnten. Abends sind wir oft gemeinsam zur Gesangsstunde gegangen. Der einzige ernsthafte Konflikt war, als mein Mann entdeckte, dass ich ihm einmal etwas verheimlicht hatte.
Eine Berufstätigkeit habe ich nicht vermisst, obwohl ich
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