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039 - Der schwarze Abt

039 - Der schwarze Abt

Titel: 039 - Der schwarze Abt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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    »Thomas!«
    »Mylord?«
    Der Diener - in schwarzer Livree, mit wenig einnehmendem Gesicht - wartete, während der blasse Mann hinter dem Schreibtisch ein Häufchen Papiergeld sortierte. Den abgenutzten Stahlkasten, dem er es entnommen hatte, füllte bis zum Rand ein hoffnungsloses Durcheinander von Banknoten und Kupons.
    »Thomas!«erklang es von neuem.
    »Mylord?«
    »Stecken Sie das Geld in jenes Kuvert - nicht das, Sie Dummkopf! Das graue! Ist es adressiert?«
    »Jawohl, Mylord.«
    »Kleben Sie es zu, lassen Sie es einschreiben! Wo ist Mr. Richard? In seinem Arbeitszimmer?«
    »Nein, Mylord. Er ging vor einer Stunde fort.«
    Harry Alford, der achtzehnte Graf von Chelford, seufzte. Er war Anfang Dreißig, hatte das weiche, blasse Gesicht des geistig Arbeitenden und pechschwarzes Haar, das die Blässe noch unterstrich. Die Bibliothek, in der er arbeitete, war ein hoher Raum, den auf drei Seiten eine Galerie umlief, zu der eine Wendeltreppe hinaufführte. Von der Decke bis zum Fußboden bedeckten Bücherregale die Wände, ausgenommen über dem mächtigen Kamin. Dort hing in Lebensgröße das Bild einer wunderschönen Frau. Niemand, der Seine Gnaden sah, konnte auch nur einen Augenblick bezweifeln, daß es das Porträt seiner Mutter war. Die gleichen feinen Gesichtszüge, dunklen Augen, das gleiche schwarze Haar. Lady Chelford war sehr bekannt gewesen, ihr tragisches Ende hatte seinerzeit großes Aufsehen erregt.
    Der Diener zögerte an der Tür.
    »Weiter nichts, Mylord?«
    »Das ist alles.« Doch als der Mann sich anschickte, geräuschlos zu verschwinden, kam ein neues: »Thomas!«
    »Mylord?«
    »Ich hörte zufällig ein paar Worte Ihrer Unterhaltung, als Sie heute morgen mit dem Reitknecht unter meinem Fenster vorbeigingen - äh ...«
    »Filling erzählte mir vom Schwarzen Abt.«
    In dem bleichen Gesicht zuckte es. Sogar am hellen Tag, wenn die Sonne durch die bunten Fenster fiel und rote, blaue und amethystfarbene Arabesken auf das Parkett malte, ließ schon die bloße Erwähnung des Schwarzen Abtes Harry Alfords Herz schneller schlagen.
    »Jeder, der über den Schwarzen Abt spricht, wird sofort entlassen. Teilen Sie das dem gesamten Personal mit, Thomas! Ein Gespenst? Großer Gott, seid ihr alle verrückt?« Sein Gesicht war jetzt gerötet, die Schläfenadern schwollen an, ärgerlich kniff er die Augen zu. »Kein Wort mehr darüber, verstehen Sie? Es ist eine Lüge, eine niederträchtige Lüge, wenn behauptet wird, daß es in Fossaway spukt! Irgendein Lümmel hat sich einen schlechten Scherz erlaubt.«
    Er winkte dem Diener, sich zu entfernen, und widmete sich wieder dem Studium des alten Bandes, der am Morgen aus Deutschland eingetroffen war!
    Vor der Bibliothekstür angelangt, verzog sich das glatte Gesicht des Dieners zu einem hämischen Grinsen. In jener Geldkassette mußten wenigstens tausend Pfund liegen -für den zehnten Teil dieser Summe hatte Thomas einst drei Jahre gesessen. Aber darauf war selbst Richard Alford nie gekommen, der sonst doch so ziemlich alles wußte.
    Thomas mußte noch einen Brief schreiben; er unterhielt eine gewinnbringende Korrespondenz mit jemandem, der an Fossaway ein ganz besonderes Interesse hatte. Vorher jedoch wollte er Mr. Glover, dem Butler, das eben Erlebte mitteilen.
    »Mich kümmert's nicht, was Seine Gnaden sagt - das Gespenst existiert, und alle möglichen Leute haben es gesehen!« Der würdevolle Greis schüttelte den silbergrauen Kopf. »Ich würde nachts nicht für fünfzig Millionen allein durch die Ulmenallee gehen. Und Seine Gnaden glaubt im geheimen auch ... Er sollte heiraten. Dann würde er sicher umgänglicher werden.«
    »Und wir würden den verflixten Mr. Alford los, was?«
    Der Butler schnupfte.
    »Manche mögen ihn, andere nicht«, orakelte er. »Mir hat er noch nie ein grobes Wort gesagt ... Thomas, es läutet!«
    Der Diener lief in die Halle und öffnete die schwere Haustür. Unter dem Portal stand eine junge Dame -hübsch, keck, sehr teuer gekleidet.
    Thomas schenkte ihr ein halbvertrauliches Lächeln. »Guten Morgen, Miss Wenner! Das nenne ich eine angenehme Überraschung!«
    »Ist Seine Gnaden zu Hause, Thomas?«
    »Das wohl - aber ich darf Sie nicht anmelden. Ich kann nichts dafür, Miss - Befehl Mr. Alfords!«
    »Befehl Mr. Alfords!« wiederholte sie bissig. »Soll das heißen, daß ich den ganzen Weg von London hierher umsonst gemacht habe?«
    Doch Thomas gab den Weg nicht frei. Er selbst empfand zwar Sympathie für die frühere Sekretärin

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