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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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Voraneilenden immer wieder die Straße benutzen. Ich tauche ein in den Strom, lasse mich treiben, gehöre eindeutig zu den Langsamen hier. Für sie alle scheint es nur ein Ziel zu geben: die Grotte. Auch ohne Hinweisschilder ist der Weg leicht zu finden: Einfach in den Menschenstrom einreihen. Dann sehe ich die ersten vereinzelten Rollstühle, und nach einer Weile erreiche ich das Ende einer Rollstuhlschlange. Bin ich falsch abgebogen? Wo sind diejenigen, die mich geführt und begleitet haben? Ich gehe an der Schlange vorbei. Sie windet sich, verläuft in Mäandern. Dicht an dicht stehen sie hier, kommen nur langsam voran. Ganz spezielle Rollstühle sind es, mehr kleine Wagen, damit die Beine hoch gelagert werden können und Platz für Decken ist, zum Einhüllen der Körper. Ich sehe Gesichter, die durch Lähmungen verzerrt sind, Menschen, die sich nicht aufrecht halten können, sehe Hände, die gestikulieren, höre Laute, die einer Sprache nicht ähnlich sind. Kann den Blick jetzt nicht mehr abwenden und sehe so nur für den Bruchteil einer Sekunde das Gesicht einer tief in Decken verhüllten Gestalt, erschrecke, weil ich nicht gewusst habe, dass ein Mensch so aussehen kann, will mich abgrenzen vor so viel Leid, will nicht anstarren, will auch nicht ausweichen. Also erwidere ich Blicke, wenn sie mich treffen, sehe auch das Lachen, das Blitzen der Freude in den Augen. Das Empfinden von Leid ist auf meiner Seite, diese Menschen hier haben gute Laune, ganz offensichtlich herrscht Ausflugsstimmung, Fröhlichkeit, Lachen. Wortfetzen erreichen mich, heiter, ausgelassen scherzend, nicht für mich bestimmt. Ich fühle mich wie ein Eindringling hier und bin froh, als ich wieder im Strom der Eilenden bin.
    Diese bringen mich in eine unterirdische Betonhalle mit dem Charme eines Parkhauses, in der gerade eine Andacht stattfindet. Hier auf dem Gelände gibt es jederzeit irgendwo eine Andacht, stelle ich später fest. In der Mitte der Altar, ringsherum Tausende von Menschen, eine riesige Menge von Rollstühlen. Ich bleibe abseits stehen, sehe Wimpel und Fahnen. Die anwesenden Gruppen aus verschiedenen Nationen werden genannt, und die Teilnehmer freuen sich darüber, winken, rufen etwas. Es erinnert mich an ein Volksfest, bei dem die Mitspieler vorgestellt werden, bevor die Darbietungen beginnen. Ich bin froh, dass niemand Notiz von mir nimmt, so kann ich die Rolle der skeptischen Beobachterin beibehalten, die mich gleichzeitig vor meinen eigenen Gefühlen schützt. Eine fremde Welt, zu der ich keinen Zugang finden will, weil ich mit der Religion auf Kriegsfuß stehe, wie ich mir sage. Die mich aber gleichzeitig fasziniert, weil ich verstehen möchte, was hier vor sich geht.
    Maria soll hier in Lourdes der Bernadette mehrfach erschienen sein, in der Gestalt einer jungen, schönen Dame. Zunächst hat keiner dem armen Mädchen geglaubt, sie wurde von der kirchlichen und weltlichen Macht befragt und für unglaubwürdig erklärt. Aber die Erscheinung kam immer wieder zur Grotte und zeigte sich Bernadette. Danach wird von Wundern berichtet. Menschen kamen hierher, die an die Erscheinung Marias glaubten und geheilt wurden von Krankheiten, daher die vielen Rollstühle. Später akzeptierte die Kirche, erklärte für echt und wahr, was nicht zu beweisen ist.
    Ich glaube nicht an Marienerscheinungen, für Wunder gibt es oft logische Erklärungen, vieles hat sich bei einer Überprüfung in nichts aufgelöst. Auf der anderen Seite kann die Kraft der Gedanken so stark sein, dass tatsächlich eine Spontanheilung geschieht, ein Wunsch in Erfüllung geht, etwas Wunderbares passiert. Aber woher kommt die Kraft, die dies bewirkt? Nur aus dem Inneren — dem Glauben und der Hoffnung?
    In diesem düsteren Gewölbe halte ich es nicht länger aus und suche den Weg ins Tageslicht. Auf einer Bank setze ich mich in die Sonne und lasse meinen Gedanken freien Lauf, während ich das Geschehen um mich herum beobachte. An mir vorbei ziehen Gruppen mit gelben, blauen und roten Schals, vermutlich als Erkennungszeichen — perfekt. Die Pinkfarbenen gefallen mir ausnehmend gut, besonders bei den älteren, grauhaarigen Herren.
    Ich bin gekommen, um zu sehen, eine Touristin auf der Durchreise. Mehr nicht. Auch Ironie ist eine effektive Art, die Dinge nicht so nah an sich heranzulassen. Ich fühle mich fremd hier, irgendwie nicht vollständig, weil ohne körperliche Leiden — aber was ist mit meiner Seele, mit meiner Psyche? Nein, Lourdes ist nicht der richtige Ort

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