Der weibliche Weg Gottes
die Ausrichtung für jeden gläubigen Katholiken. Sie war die Frau, die immer mehr und mehr Verehrung bekam über die Jahrhunderte hinweg. Während die realen Evas Geschöpfe der Sünde waren, gab es eine reine, heilige, verehrungswürdige. Sie hatte sich gefügt, hatte akzeptiert und keine Forderungen gestellt.
In einem schienen sich die Konfessionen einig zu sein: Frauen hatten zu dienen und den Mund zu halten vor der männlichen Dominanz, für die die Bibel die Rechtfertigung lieferte, verfasst mit Hilfe des Heiligen Geistes im Auftrag von Gott-Vater, so mein damaliger Kenntnisstand.
Natürlich war es infantil, der Kirche den Rücken zu kehren. Eine Institution verändert sich nur von innen, das Außen kann lediglich Anstoß sein. Trotz ist ein schlechter Baumeister für wichtige Veränderungen. Er entsteht aus dem kindlichen Gefühl der Unterlegenheit. Aber besser kindlicher Trotz, als gar nichts tun, stillhalten und damit das System stabilisieren. Damals warf ich Institution, Klerus, Religion, Glauben, Auslegung und Gemeinde in einen Topf. Und glaubte, der Deckel sei zu.
Währenddessen trugen wir unsere Gesinnung auf der Brust in Form von Buttons. Mein liebstes war rosa, mit schwarzer Schrift. Ich habe es lange aufbewahrt und mich erst bei meinem letzten Umzug davon getrennt: „God is female“, Gott ist weiblich. Damals gingen wir weiter in unserem Protest: „Als Gott den Mann schuf, übte SIE nur“, war gängige Frauensprache. Sagen wir ab heute nicht mehr „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, sondern „im Namen der Mutter der Tochter und der Liebe“. Das wäre doch mal eine Osterbotschaft des Papstes in seinem Urbi et Orbi!
Und Maria? Wer dachte denn an die? Maria passte nicht in dieses Bild der revoltierenden Frauen. Wir suchten als Identifikationspunkte die großen, strahlenden, starken, mächtigen, mutigen Frauen. Urmutter Eva, die aufmüpfige, freche, passte besser in dieses Bild. Sie hatte die Chance der Wahl ergriffen, die ihr Gott gegeben hatte, sich über Verbote hinweggesetzt. Der Ausgang ist bekannt. Die Begriffe Sünde und Schuld standen in engem Zusammenhang mit der antiquierten Sexualmoral, waren zu lange schon Instrumente der Unterdrückung. In dieser Zeit galten Frauen, die den männlichen Machtanspruch in Frage stellten und selbst Macht über ihr eigenes Leben anstrebten, als Emanzen mit Penisneid — nicht nur bei Männern. Macho Freud hatte uns mit seiner Terminologie, die vermutlich ganz stark seinen eigenen Ängsten entsprungen war, einen ziemlichen Brocken vor die Füße geworfen. Seiner Meinung nach empfinden wir Frauen einen permanenten Mangel, weil uns da unten etwas fehlt. Dieser Mangel kann nur kurzfristig durch Schwangerschaft und Geburt eines Sohnes kompensiert werden. Frauen, die dagegen protestierten (oder gegen irgendetwas anderes), unterlagen einem Männlichkeitskomplex.
Da ist es wieder, das Bild der Idealfrau: demütig, still, duldsam, gefügig, dabei stets heiter und froh, abzulesen an ihrem jugendlichen Gesicht — natürlich ohne Falten. Weil Falten Spuren des Lebens sind, die Einstellungen und Erfahrungen nun einmal hinter lassen. Die künstlerischen Darstellungen der Maria zeigen sie immer als schöne Frau, gleichgültig, ob kurz nach der Geburt oder mit ihrem toten Kind im Arm. Selbst der tiefste Schmerz kann ihr Gesicht nicht dauerhaft zeichnen — sie ist zeitlos schön. Weil diejenigen, die sie dargestellt haben, Frauen so sehen wollten? Oder weil die Künstler wussten, dass das Leben die tiefsten Spuren in Gesichtern zeichnet, deren Inneres starr ist und voller Widerstände gegen das, was nun einmal ist? Aber diese Fragen standen damals nicht an, diese Gedanken kommen erst jetzt.
Die Inkas haben ein schönes Bild, mit dem sie die Entwicklung eines Menschen ausdrücken. Es ist ein Baum, der unten dicke, starke, weit ausladende Äste hat, nach oben immer schmaler und beweglicher wird bis zu seiner Spitze, die sich sanft im Wind wiegt. Die dicken Äste symbolisieren die Jugend, wenn wir mit aller Kraft voranstürmen, mal in die eine, mal in die andere Richtung, wild und ungestüm. Mit zunehmendem Alter schlägt das Pendel nicht mehr so stark aus, macht nur noch kleine Bewegungen um seine Mitte herum. Die Spitze ist das Alter, die Weisheit und geistige Beweglichkeit.
Solche Gedanken versöhnen mich für den Moment mit der Vergangenheit und geben mir Gelassenheit für die Zukunft: Wie soll ich meine Mitte finden, wenn ich meine
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