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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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wissen Sie. Aber wenn er Geschichten erzählte, musste man ihm einfach zuhören, und wenn er lachte, lachte man mit. Er liebte die Landschaft hier und malte sie wie kein anderer. Mit einem Licht, dass man die Luft beim Betrachten riechen konnte. Aber das wissen Sie ja vielleicht selber, oder?«
    »Nein«, sagte Emily erstaunt. »Ich … ich wusste nicht einmal, dass er ein Künstler war.« Sie schämte sich. »Wir dachten, er hätte Geld von seiner Familie geerbt. Nicht viel, aber genug, um davon zu leben.«
    Father Tyndale lachte, ein kräftiges, fröhliches Lachen, aufheiternd in dieser kargen Landschaft, in der man nur das Kreischen der Vögel, den Wind und das Klappern der Hufe auf der Straße hören konnte. »Das stimmt schon, aber wir schätzen einen Menschen wegen seiner Seele, nicht wegen seines Geldbeutels. Hugo malte aus Leidenschaft.«
    »Wie sah er aus?«, fragte sie, schämte sich aber zugleich, weil sie an so etwas Triviales gedacht hatte. Sie wollte Father Tyndale den Grund dafür erklären. »Damit ich ihn mir besser vorstellen kann. Wenn man an jemanden denkt, macht man sich irgendwie ein Bild von ihm. Ich möchte, dass es stimmt.«

    »Er war groß und kräftig«, antwortete Father Tyndale nachdenklich. »Er hatte braunes lockiges Haar und blaue Augen. Er sah glücklich aus. So habe ich ihn in Erinnerung. Und er hatte wunderschöne Hände, so als könnte er alles berühren, ohne es zu verletzen.«
    Ganz plötzlich musste Emily mit den Tränen kämpfen, weil sie Hugo Ross nie kennenlernen würde. Sie war wohl sehr müde. Zwei Tage lang war sie gereist und hatte nicht die geringste Ahnung, wo sie landen würde oder wie Susannah sich im Laufe der Zeit durch die Krankheit verändert hatte, ganz zu schweigen von all den Jahren, in denen Susannah sich der Familie entfremdet hatte. Diese ganze Reise war einfach lächerlich. Sie hätte es nicht zulassen dürfen, dass Jack sie über - redete, hierherzukommen.
    Sie waren nun schon mehr als vier Stunden unterwegs. »Wie lange dauert es noch?«, wollte sie wissen.
    »Höchstens noch zwei Stunden«, antwortete er ihr fröhlich. »Da hinten sind die Twelve Bens.« Er zeigte auf eine Bergkette direkt im Norden. »Und vor uns der Ballynahinch-See. Wir biegen vorher ab, fahren Richtung Meer, durch Roundstone durch, und dann sind wir da.«
    Sie machten noch einmal in einem Hotel Rast und aßen ein wirklich ausgezeichnetes Essen. Bei dem feuchten Westwind fiel es ihr danach noch schwerer, in die einsetzende Dämmerung hinauszugehen.
    Dann klarte es auf, und als sie eine leichte Steigung überwunden hatten, öffnete sich der Blick auf die von der Sonne beschienene Wasseroberfläche, die in scharlachroter
und goldener Farbenpracht glänzte, und aus der die schwarze Landspitze wie aus flüssigem Feuer herauszuragen schien. Die Straße vor ihnen sah wie von Bronze überzogen aus. Sie konnte die salzige Luft riechen, und als sie einen Augenblick nach oben blickte, sah sie die blasse Unterseite der Vögel, die sich im Sonnenuntergang vom Wind treiben ließen.
    Father Tyndale lächelte und sagte nichts, aber sie wusste, dass er ihr tiefes Einatmen gehört hatte.
    »Erzählen Sie mir von dem Dorf.« Die Sonne war nun fast untergegangen, aber sie wusste, dass das Pony den Weg, den es so gut kannte, von alleine fand und sie bald ankommen würden.
    Er antwortete erst nach einer Weile und als er so weit war, meinte sie eine gewisse Traurigkeit aus seiner Stimme herauszuhören, als hätte man ihn aufgefordert, sich wegen eines Fehlers zu rechtfertigen.
    »Es war schon einmal größer«, sagte er. »Viel zu viele junge Leute gehen heutzutage fort.« Er hielt inne, als ob er keine Worte mehr fände.
    Emily war verlegen. Weder sie noch ihre Landsleute hatten in diesem Land etwas zu suchen, und doch waren sie schon seit Jahrhunderten hier. Sie wurden aufgenommen, weil die Leute von Natur aus gastfreundlich waren. Aber was empfanden die Menschen hier wirklich? Wie war es wohl für Susannah gewesen, hierherzukommen? Kein Wunder, dass sie einen katholischen Priester bitten musste, jemanden aus ihrer Familie herzuholen, um die letzten Tage mit ihr zu verbringen.

    Sie räusperte sich. »Eigentlich dachte ich mehr an die Häuser, die Straßen, die Leute … na ja, an so was eben.«
    »Sie werden sie sicher kennenlernen. Mrs. Ross ist sehr beliebt. Die Leute besuchen sie, wenn auch nur kurz, um sie nicht zu ermüden, die Arme. Früher ist sie meilenweit die Küste entlangspaziert oder ins

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