Der Weihnachtspullover
»offizieller Glasur-Vorkoster«.
Obwohl Dad ständig versuchte, mir seine Rezepte beizubringen, schaffte ich es nicht einmal, sie mir richtig aufzuschreiben. Schuld daran war Moms Ansicht nach, dass ich das Konzentrationsvermögen einer Mücke besaß, aber ich wusste, dass ich einfach lieber aß als backte. Ich habe mich nie für den Bäckerberuf interessiert. Es war mir zu viel Arbeit, und man musste zu früh aufstehen. Aber Dad gab niemals die Hoffnung auf, dass ich meine Meinung irgendwann einmal ändern würde.
Er machte es sich zur Aufgabe, mir beizubringen, wie man Plätzchen backt, aber schon sehr bald, nachdem er mir die Verantwortung für den Teig und den Mixer übertragen hatte, wurde ihm bewusst, dass dies ein Fehler gewesen war. Ein großer Fehler. Wenn er mich nur noch ein paar Minuten länger mit dem Teig allein gelassen hätte, wäre nicht mehr genug zum Backen übrig geblieben. Danach änderte Dad klugerweise seine Taktik und ging von praktischen Übungen zu Frage-und Antwortspielen über. Er zeigte mir, wie man einen ganzen Schwung Schokoladenkuchen fabrizierte, fragte dann das Rezept ab und warf mir Mehl ins Gesicht, wenn ich eine Zutat nannte, die in einem Kuchen nichts zu suchen hatte. Wie zum Beispiel Fleisch.
Eines Tages, mitten in einem Apfelstrudel-Quiz, kam Dads Kassiererin (meine Mutter) nach hinten in die Backstube, um ihn zu fragen, ob er sich um eine Kundin kümmern könnte. Das war nichts Außergewöhnliches, denn Dad ging gelegentlich nach vorn – meist nachmittags, während die Ofen abkühlten und meine Mom ihren täglichen Gang zur Bank erledigte. Ich glaube, es war insgeheim eine seiner Lieblingszeiten am Tag. Er war ein geselliger Mensch und blickte nur zu gern in die Gesichter seiner Kunden, wenn sie von seinen neuesten Kreationen kosteten.
An diesem Tag sah ich zu, wie Dad Mrs. Olsen begrüßte, eine Frau, die mir der älteste Mensch der ganzenStadt zu sein schien. Sie war eine Stammkundin. Es war mir schon früher aufgefallen, dass sich meine Mum immer Zeit nahm, wenn sie Mrs. Olsen bediente, und sich ihre Geschichten anhörte. Sie glaubte wohl, dass sie einsam war. Dad behandelte sie mit dem gleichen Respekt. Er lächelte freundlich, wenn er mit ihr sprach, und ich bemerkte, wie sich auch auf ihrem Gesicht der Anflug eines kleinen Lächelns ausbreitete. Dad hatte diese Wirkung auf viele Menschen.
Mrs. Olsen hatte eigentlich nur einen Laib Brot kaufen wollen, aber Dad verbrachte geschlagene fünf Minuten mit dem Versuch, sie noch zu etwas anderem zu überreden – von Cremeschnitten bis Schokoladenkuchen. Obwohl sie hartnäckig ablehnte, bestand mein Vater darauf und sagte, es gehe auf seine Rechnung. Schließlich gab sie von einem Ohr zum anderen lächelnd nach und erklärte, dass dies sehr freundlich von ihm sei. Ich weiß es noch so genau, weil ich damals dachte, wie schlicht und doch zutreffend diese Aussage war, denn mein Dad war wirklich ein freundlicher Mensch.
Nachdem das Brot eingetütet und ihre kostenlosen Naschereien in eine Schachtel gepackt worden waren, griff Mrs. Olsen in ihr Portemonnaie und zog daraus eine Sorte Geld hervor, wie ich sie noch niemals zuvor gesehen hatte. Soweit ich das beurteilen konnte, war es gar kein richtiges Geld. Es sah eher aus wie Coupons – bloß dass wirin der Bäckerei keine Coupons ausgaben. Als sie sich zum Gehen wandte, begann mein Herz zu rasen. War mein Dad etwa gerade vor meinen Augen betrogen worden? Die Bäckerei sorgte für unser Einkommen (und, was viel wichtiger war, für meine Geschenke). Ich schlich mich an meinen Vater heran, der an der Kasse stand, und flüsterte, ohne darüber nachzudenken, dass unsere Kundin mich vielleicht noch hören könnte: »Dad, das ist gar kein richtiges Geld.«
Mrs. Olsen blieb wie angewurzelt stehen und sah meinen Vater an. Der wiederum warf mir einen zornigen Blick zu und sagte: »Eddie, geh bitte auf der Stelle nach hinten.« Seine Stimme hatte eine gewisse Schärfe, die keinen Widerspruch duldete. Dann nickte er Mrs. Olsen verständnisvoll lächelnd zu, und sie drehte sich um und trat zur Tür hinaus. Mir wurde klar, dass ich in Schwierigkeiten steckte.
Als ich die Backstube durch den Durchgang betrat, fühlte sich mein Gesicht heißer an als der Ofen, vor dem ich nun stand.
»Eddie, ich weiß, dass es nicht deine Absicht war, aber hast du eine Vorstellung davon, wie peinlich das gerade für Mrs. Olsen gewesen ist?«
»Nein«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
»Eddie, Mrs.
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