Der weisse Neger Wumbaba
denn… immer so aufgefasst:
»Musident, Musident,
zum Städtele hinaus,
zum Städtele hinaus!
Aber du, mein Schatz, bleibst hier!«
Ganz offensichtlich verweise da jemand, schrieb mir B., den Herrn Musident der Stadt, er schicke ihn von hinnen –
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warum? Weil, so B., es sich beim Musidenten um einen Nebenbuhler handele, um jemanden, der es mit der Frau des Sängers gehabt habe, und dafür nun gehen müsse.
»Verwundert hat mich schon damals«, schreibt B., »in welch liebliche Melodie diese doch sehr harsche Auffor-derung gekleidet war.«
Schon wahr. Aber bekommt nicht gerade durch die
Melodie das »Aber du, mein Schatz, bleibst hier!« etwas geradezu vernichtend Triumphales?
Warum fällt mir jetzt gerade die Zuschrift von Frau J. aus Stephanskirchen ein? Ihre Mutter habe oft von einem Seemannslied erzählt, das sie als Kind hörte:
»Stürmisch die Nacht und die See geht hoch.«
Aber das Mädchen verstand:
»Stürmisch die Nacht und die Säge tobt.«
Klingt schaurig. Und schön.
Musikliebende Eltern gehen mit ihren Kindern ja oft früh schon in die Oper – wer weiß, ob sie immer ahnen, mit welchen Bildern, Wörtern und Gedanken die Kinder dann nach Hause wandern. Frau B. jedenfalls erinnerte mich an den Text der Zauberflöte, die sie als Kind oft hörte, speziell an das Duett Papagena/Papageno:
»Wenn die Götter uns bedenken
uns so liebe Kinder schenken
so liebe kleine Kinderlein.«
B. verstand:
»… solide kleine Kinderlein.«
Und fand das »nicht so abwegig für ein kleines hansea-25
tisches Mädchen in weißer Bluse und blauem Faltenrock«.
In der gleichen Oper singt übrigens Papageno an anderer Stelle:
»Dann schmeckten mir Trinken und Essen,
dann könnt ich mit Fürsten mich messen.«
Die Tochter von Frau R. aus Köln hörte:
»… dann könnt ich mit Fürsten mich mästen.«
Und befürchtete, Papageno sei kannibalisch veranlagt und habe den Prinzen Tamino, der ja Sohn eines Fürsten ist, nur begleitet, um ihn in einem günstigen Moment aufzuessen.
Immerhin: Auch hier gab es dann Erwachsene, die alles erklärten.
Oder man hatte die Möglichkeit, sich auch als Kind selbst einen Reim auf das Gehörte zu machen. Was aber sollte Frau H. tun, die mit acht Jahren den Text des Schlagers vom Theodor im Fußballtor hörte? Der geht im Original so:
»Der Theodor, der Theodor,
Der steht bei uns im Fußballtor.
Wie der Ball auch kommt,
Wie der Schuss auch fällt,
Der Theodor, der hält!«
Was aber vernahm Frau H.? Sie verstand:
»Wie der Wallach kommt,
wie der Schussach fällt…«
Dafür gibt es keine Erklärungsmöglichkeiten mehr. Das kann eine Achtjährige nur so hinnehmen.
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P.S.: Dann gibt es noch den raren Fall, dass Erwachsene Kinderlieder falsch verstehen. Dazu schreibt Herr F. aus Aachen: »Gestern unter der Dusche höre ich die Bärenbude (Kindersendung des WDR). Das Wasser läuft, und ich höre das Kinderlied ›Nimm mich mit auf die Reise, kleine Fehlgeburt!‹ Ich drehe das Wasser ab, und erst beim nächsten Refrain kann ich mich wieder entspannen, denn in Wirklichkeit war alles ganz anders. Es sollte heißen:
›Nimm mich mit auf die Reise, kleines Segelboot!‹«
P.P.S.: Schließlich gebe es noch Erwachsene, schreibt Herr F. aus Eichstetten, »die sich einen Spaß draus machen, Kinder auf ihren Erkundungszügen ins Verstehen auf eine falsche Fährte zu locken«. F. jedenfalls wuchs im Münchner Glockenbachviertel auf, wo es im Hinterhof einen Buchbindermeister gab, der den Kindern aus dem Vorderhaus, die gerade erst ein bisschen lesen konnten, weismachte, bei den Stadtplänen der Firma Brunn, die er auf Leinen zog und die man Brunns Plan nannte, handele es ich um einen »Brunzplan« Münchens. (Wozu der außer-bayerische Leser wissen sollte, dass »brunzen« ein sehr, sehr volkstümliches Wort für »urinieren« ist.) F. schreibt, sie seien als Münchner Kinder damals »schwer beeindruckt gewesen, dass jemand ›dafür‹ Pläne herstellte«.
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Lulle und die Leberwurscht:
Wie lange es dauern kann, bis sich altes aufklärt
Wie hartnäckig kindliche Verhörer den Menschen ein Leben lang begleiten können, illustriert der Fall des Herrn K. aus München, der mich brieflich um Hilfe bat, »um ein Rätsel zu lösen, das mich schon seit meiner Kindheit plagt«.
Herr K. führte aus: »In den dreißiger Jahren (da war ich etwa sechs Jahre alt) grassierte in der Steiermark ein Gassenhauer, dessen Text ich als der ›Der Lulle staviert, der Lulle
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