Der weiße Neger Wumbaba
es im Amerikanischen eine Art Fachbegriff für den Verhörer, und das Verdienst ihn erfunden zu haben, gebührt der Schriftstellerin Sylvia Wright. Der Begriff heißt Mondegreen .
Warum heißt er Mondegreen? Sylvia Wright verwendete das Wort 1954 in einem Artikel in der Zeitschrift Harper’s . Sie hatte als Kind oft eine alte schottische Ballade gehört, in der die Zeile vorkam: »They ha’e slain the Earl of Murray
And Lady Mondegreen.«
Sylvia Wright gefiel das in Kindertagen sehr:
»Sie haben den Earl of Murray erschlagen
Und Lady Mondegreen.«
Sie verband damit die Vorstellung von einem schottischen Grafen und seiner Geliebten, die erschlagen in einem nebligen Moor lagen, weil ihre Liebe aus irgendwelchen Gründen nicht sein durfte, weil die Verwandten etwas dagegen hatten oder der Mann von Lady Mondegreen. Später musste Sylvia Wright erfahren, dass die Zeilen in The Bonny Earl of Murray in Wahrheit lauteten:
»They ha’e slain the Earl of Murray
And laid him on the green.«
Und legten ihn ins Gras, nun ja. Oder auf das Grün, wie Golfer sagen würden. Entsetzlich langweilig. Kein Wunder, dass Sylvia Wright in Harper’s die Ansicht vertrat, die missverstandenen Liedtexte seien in der Regel die besseren. Jeder, der sich gründlicher mit diesen Missverständnissen beschäftigt, muss ihr zustimmen.
Nebenbei und der Vollständigkeit halber: Leser W. machte auf ein Buch des verehrten Douglas Adams aufmerksam, Der tiefere Sinn des Labenz heißt es auf deutsch. Der Autor bringt darin Dinge auf den Begriff, für die es bisher keinen Begriff gab. Er schafft zum Beispiel das Verbum aachen für »seinen Namen ändern, um eher dranzukommen« oder das Substantiv Alicante für einen »Gastarbeiter, der in Lokalen singt«. In diesem Buch findet sich auch der Eintrag Versettla, der für jenen »Teil des Songtextes, bei dem einem plötzlich auffällt, daß man ihn seit Jahren falsch gehört oder mitgesungen hat«.
Mondegreen finde ich aber schöner.
Und wie entstehen Mondegreens? Dafür hat Karl Valentin den passenden Begriff gefunden: Es hat nämlich mit der Illobrasekolidation zu tun, dem Gleichlaut von Wörtern, auch als Ichenbratekolidatiasimtioeijek bekannt, jedenfalls bei Valentin. Der erörterte das Thema in einem 1940 mit Liesl Karlstadt unter dem Titel Sprachforscher geführten Dialog. Darin steht die deutsche Sprache am Ende als Urwald vor einem, der aus Sätzen besteht wie: »Das Vieh weidet auf einem Acker, folglich ist das ein Viehacker. Ein Fiaker ist aber auch ein Pferdefuhrwerk.« Oder: »Die Reichen reichen sich die Hände, die Armen reichen sich die Arme.« Oder: »Mancher Knabe ist früh reif, auf den Feldern liegt aber auch Frühreif.«
Frau S. aus München und Herrn Sch. aus Hofheim verdanke ich den Hinweis auf Gudrun Schurys famoses Buch Goethe ABC , in dem die Autorin unter dem Stichwort Volksetümelogisch zunächst einmal darauf hinweist, dass ein gut Teil der Wörter in unserer Sprache nicht existierte, hätten sich nicht Menschen immer wieder hartnäckig verhört oder sich bemüht, Unverständlichem einen Sinn zu geben. Warum heißt der Maulwurf Maulwurf? Nicht etwa, weil er mit dem Maul die Erde oder sonst etwas würfe (das tut er ja mit seinen Grabekrallen), sondern weil er im Althochdeutschen muwerf hieß, ein Haufen aufschichtendes Tier. Die Schury schreibt: »Der gesunde Volksverstand hat die Tendenz, fremdländische Ausdrücke, deren Bedeutung und Herkunft er sich nicht erklären kann, durch einheimische Wortbildungen zu ersetzen. So wurde aus der haitianischen ›hamaca‹, dem Schwebebett der Eingeborenen, durch weitere Umbildungen – über ›hangmak‹ bis ›hangmat‹ – schließlich, weil das bequeme Ding nun mal einen Namen brauchte und weil es nun mal eine durchhängende Matte war, die urdeutsche ›Hängematte‹.«
Aber das Buch heißt ja Goethe ABC , und deshalb darf der Hinweisnicht fehlen, dass natürlich, wie immer und bei fast allem, auch in diesem Fall »schon Goethe« sich mit der Sache befasste. In Schurys Buch steht, wie der Geheimrat darüber klagte, dass er »oft auch ungebildeten oder wenigstens zu einem gewissen Fache nicht gerade gebildeten Personen« Texte und Briefe »dictiren« müsse, woraus ihm »ein besonderes Übel zugewachsen« sei. Die Schreiber hätten zum Beispiel aus den mineralischen »Pyriten« ein »beritten« gemacht, aus der »Löwengrube« eine »Lehmgrube« und aus dem »Tugendfreund« ein »Kuchenfreund«, schließlich aus »sehr
Weitere Kostenlose Bücher