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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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brauchen die Bohlen für Reparaturen», antwortete der Verwalter. «Wigulf behält einen Teil davon als Lohn ein.»
    «Und du schleppst den Baum an einem Sonntag aus dem Wald?» Er wusste darauf nichts zu sagen. «Wenn wir Bohlen brauchen», fuhr
     ich fort, «warum spalten wir nicht selbst den Stamm? Fehlen uns Männer? Keile? Spalthammer?»
    «Wir haben sie immer von Wigulf sägen lassen», antwortete Oswald mürrisch.
    |37| «Immer?», wiederholte ich. «Wigulf lebt doch in Exanmynster, nicht wahr?» Der Ort lag gut eine Meile nördlich von Oxton und
     war die nächste Siedlung.
    «Ja, Herr.»
    «Und wenn ich jetzt nach Exanmynster reite und Wigulf frage, wie viele solcher Stämme du ihm im vergangenen Jahr geliefert
     hast – was wird er mir wohl darauf antworten?»
    Bis auf vereinzelte Vogelrufe und das Tropfen von Regenwasser war alles still. Ich lenkte mein Pferd ein paar Schritte näher
     an Oswald heran, der nun den Schaft seiner Peitsche umklammerte, als wolle er mir damit drohen. «Wie viele?», verlangte ich
     zu wissen.
    Oswald schwieg.
    «Wie viele?», rief ich mit Nachdruck in der Stimme.
    «Beruhigt Euch, Herr», flehte Mildrith.
    «Schweig!», herrschte ich sie an, und Oswald sah von mir zu ihr und wieder zu mir. «Wie viel zahlt dir Wigulf dafür?», fragte
     ich. «Was bringt ein solcher Stamm ein? Acht Schillinge? Neun?»
    Wie schon im Gottesdienst des Königs übermannte mich auch jetzt unbändige Wut. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass
     Oswald Holz aus dem Wald stahl und verkaufte. Ich hätte ihn wegen Diebstahls anzeigen und vor Gericht bringen sollen, wo man
     über seine Schuld oder Unschuld hätte urteilen können, doch für ein solches Verfahren hatte ich jetzt keinen Sinn. Ich zog
     einfach Schlangenhauch und trieb mein Pferd voran. Mildrith protestierte lautstark, doch ich beachtete sie nicht. Oswald rannte
     los, und das war sein letzter Fehler, denn ich hatte ihn schnell eingeholt und ihm mit nur einem Streich, der ihm den Schädel
     spaltete, sodass Gehirn und Blut spritzte, zu Fall gebracht. Er stürzte ins feuchte Laub, und ich riss |38| das Pferd herum und durchbohrte mit der Klingenspitze seinen Hals.
    «Das war Mord!», schrie Mildrith.
    «Das war Gerechtigkeit», herrschte ich sie an. «Woran es, wie mir scheint, in Wessex mangelt.» Ich spie auf Oswalds Körper,
     durch den ein letztes Zucken ging. «Der Bastard hat uns bestohlen.»
    Mildrith gab ihrem Pferd die Sporen und ritt, von der Amme mit dem Kind gefolgt, eilends bergan. Ich ließ sie gehen. «Schafft
     den Stamm zum Hof», befahl ich den Knechten, die die Ochsen führten. «Wenn er zu schwer ist, so spaltet ihn an Ort und Stelle
     und bringt die Bohlen zum Haus.»
    Noch am gleichen Abend durchsuchte ich Oswalds Hütte, wo ich im Boden vergraben dreiundfünfzig Schillinge fand. Ich nahm die
     Silbermünzen an mich, nahm die Kochtöpfe, den Spieß, die Messer, alles Eisenzeug sowie einen Mantel aus Hirschleder und vertrieb
     seine Frau und die drei Kinder von meinem Grund und Boden. Ich war wieder zu Hause.

|39| ZWEI
    Oswalds Bestrafung hatte meine Wut nicht dämpfen können. Der Tod eines unehrenhaften Verwalters war kein Ausgleich für die
     monströse Ungerechtigkeit, die man mir angetan hatte. Einstweilen war Wessex vor den Dänen sicher, aber nur, weil ich Ubba
     Lothbrokson getötet hatte, und mein einziger Lohn war eine Demütigung gewesen.
    Arme Mildrith. Sie war eine friedliebende Frau, die von allen, die sie kannte, nur gut dachte, und jetzt war sie plötzlich
     mit einem rachsüchtigen, tobenden Krieger verheiratet. Sie fürchtete sich vor Alfreds Zorn und davor, dass mich die Kirche
     bestrafen würde, weil ich ihren Frieden gestört hatte. Außerdem war von Oswalds Angehörigen die Forderung eines Wergeldes
     zu erwarten. Ein Wergeld war der Blutpreis, der jedem, ob Mann, Frau oder Kind, zustand. Wer einen anderen tötete, musste
     den Hinterbliebenen diesen Preis entrichten, andernfalls starb er selbst. Zweifellos würde sich Oswalds Familie an Odda den
     Jüngeren wenden, der nun, da sein Vater zu schwer verwundet war, um sein Amt auszuüben, zum Aldermann von Defnascir ernannt
     worden war. Und Odda würde seinen Landvogt auf mich hetzen, um mich vor Gericht zu bringen. Doch das alles kümmerte mich nicht.
     Ich jagte Wildschweine und Hirsche, brütete vor mich hin und wartete auf Nachrichten über die Verhandlungen in Exanceaster.
     Alfreds Pläne waren absehbar; er würde mit den Dänen

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