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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Seelenqualen. «Keine Brüste mehr, Gott», rief er, «keine Brüste!» Er machte wahrhaft einen Narren
     aus sich, doch weil man ihn ohnehin für einen Narren hielt, störte ihn das nicht. «Bewahre mich vor diesen Brüsten, Herr!»
     Jetzt ging auch Alfred. Was er sich als weihevolle Feier vorgestellt hatte, war zu einem grotesken Schauspiel ausgeartet.
     Ihm folgten die meisten Priester, und so rutschten Æthelwold und ich schließlich auf einen verwaisten Altar zu, wo sich Æthelwold
     in seinem lehmverschmierten Büßerhemd umwandte und murmelte: «Ich hasse ihn.» Ich wusste, dass er seinen Onkel meinte, und
     dann wiederholte er: «Ich hasse ihn, und du, Uhtred, bist mir jetzt einen Gefallen schuldig.»
    «Das stimmt», erwiderte ich.
    «Ich überlege mir was», sagte er.
    Odda der Jüngere war nicht mit Alfred gegangen. Er wirkte verwirrt. Meine Demütigung, an der er sich hatte ergötzen wollen,
     war in allgemeines Gelächter umgeschlagen. Er wusste, dass ihn die Männer beobachteten, seine |32| Aufrichtigkeit bezweifelten, und er rückte näher an einen baumstarken Kerl heran, der offensichtlich zu seiner Leibwache gehörte.
     Dieser Mann war über einen Kopf größer als er und hatte eine sehr breite Brust, aber noch mehr als seine Statur fiel sein
     Gesicht auf, denn die Haut war so straff um den Schädel gespannt, dass er zu keinem anderen Mienenspiel mehr fähig schien
     als zu schierem Hass und wölfischer Gier. Wie dem nassen Fell eines Hundes entströmte ihm der Gestank roher Gewalt, und als
     er die Augen auf mich richtete, sah ich mich im seelenlosen Blick eines Tieres. Ich zweifelte keinen Moment daran, dass mich
     dieser Mann töten würde, wenn Odda irgendwann die Gelegenheit zum Mord witterte. Odda war ein Nichts, der verwöhnte Spross
     eines reichen Mannes, doch sein Geld erlaubte es ihm, Mördern Befehle zu erteilen. Dann zupfte Odda am Ärmel des Hünen; die
     beiden wandten sich ab und gingen.
    Pater Beocca stand noch in der Nähe des Altars. «Küss das Tuch», befahl er mir, «und dann leg dich flach auf den Boden.»
    Doch ich stand einfach auf. «Ihr könnt mich mal sonst wohin küssen, Pater», entgegnete ich. Meine Wut ließ Beocca zurückweichen.
    Doch ich hatte getan, was der König verlangt hatte. Ich hatte bereut.
     
    Der Hüne an Oddas Seite hieß Steapa. Man nannte ihn Steapa Snotor oder Steapa den Schlauen. «Das ist ein Witz», sagte Wulfhere,
     als ich mir das Büßerkleid vom Leib riss und mein Kettenhemd überstreifte.
    «Ein Witz?»
    «Tatsächlich ist er dumm wie ein Ochse», erklärte Wulfhere. «Statt eines Gehirns hat er Froschlaich im |33| Schädel. Er ist beschränkt, trotzdem aber ein gerissener Kämpfer. Das hat er auch vor Cynuit bewiesen. Hast du ihn dort nicht
     gesehen?»
    «Nein», antwortete ich, kurz angebunden.
    «Und, was denkst du über ihn?», fragte Wulfhere.
    «Nichts.» Ich hatte den Aldermann nach diesem Leibwächter des jungen Odda gefragt, um den Namen des Mannes zu erfahren, der
     vielleicht versuchen würde, mich umzubringen. Das aber brauchte Wulfhere nicht zu wissen.
    Wulfhere zögerte. Ihm schien noch eine Frage auf der Zunge zu liegen, doch er verzichtete darauf und sagte stattdessen: «Wenn
     die Dänen kommen, bist du in den Reihen meiner Männer willkommen.»
    Æthelwold, Alfreds Neffe, hatte Schlangenhauch aus der Scheide gezogen und musterte die verschlungenen Muster auf der Klinge.
     «Wenn die Dänen kommen», sagte er zu Wulfhere, «müsst Ihr mich kämpfen lassen.»
    «Davon verstehst du nichts.»
    «Dann müsst Ihr’s mir beibringen.» Er steckte das Schwert in die Scheide zurück. «Wessex braucht einen König, der kämpfen
     kann», sagte er, «und keinen, der immerzu nur betet.»
    «Du solltest deine Zunge hüten, junger Mann», erwiderte Wulfhere. «Es sei denn, du willst, dass man sie dir herausschneidet.»
     Er riss Æthelwold das Schwert aus der Hand und reichte es mir. «Die Dänen werden kommen», sagte er. «Also schließ dich mir
     an, wenn es so weit ist.»
    Ich nickte, sagte aber nichts. Wenn die Dänen kommen, dachte ich, werde ich mich lieber ihnen anschließen. Ich war im Alter
     von zehn Jahren von Dänen gefangen genommen worden. Sie hätten mich töten können, doch stattdessen hatten sie mich gut behandelt.
     Ich hatte ihre |34| Sprache gelernt und ihre Götter verehrt, bis ich selbst nicht mehr wusste, ob ich Däne oder Engländer war. Wäre Graf Ragnar
     der Ältere am Leben geblieben, hätte ich sie nie

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