Der Wettflug der Nationen
der drei Tresorschlüssel in seinem Schloß. Ein paar weitere Sekunden mußte Gill suchen. Dann lagen die beiden anderen Schlüssellöcher frei, auch die beiden anderen Schlüssel steckten in den für sie bestimmten Öffnungen.
Dreimal drehte Gill jeden der Schlüssel nach rechts herum, dann trat er zur rechten Seitenwand des Ganges und suchte mit seiner Taschenlampe, bis er einen winzigen Schaltknopf entdeckte. Auf den drückte er.
Es war still in dem Gang. Keiner der sechs Männer sprach ein Wort.
Würde der Panzerschrank sich jetzt auftun? Würden die Schätze Morgan Readings frei und ungeschützt vor ihnen liegen? Alle jene Kostbarkeiten, die man hier unter einem solchen Aufwand von Sicherheitsmaßnahmen verwahrte?
Während sie noch wie gebannt auf die Wand starrten, wurde ein feiner kreisförmiger Riß sichtbar. Zusehends wurde er stärker, verbreiterte sich immer mehr. Der elektromotorische Antrieb arbeitete, die mächtige runde Panzertür schwenkte aus der Wand heraus, bis sie senkrecht dazu stand.
Das Innere des Reading-Tresors lag frei vor den Eindringlingen.
Zur gleichen Zeit zog in dem Salon der nächsten Straßenecke Tredjakoff seine Uhr aus der Westentasche.
„Ein Viertel vor sechs, Bunnin. Jetzt müßte Hyblin die Pläne wohl schon haben, wenn ihm alles...“
„Es ist kein >Wenn< dabei“, fiel ihm Perrow in die Rede. „Unsere Nachschlüssel sind absolut genau. Gill weiß über alles Bescheid. Hyblin hat versprochen, einen von seinen Leuten hierherzuschicken, wenn die Sache erledigt ist. Warten wir noch ein Weilchen, in einer Viertelstunde kann sein Bote hier sein.“
„Gedulden wir uns, Tredjakoff“, pflichtete Bunnin Perrow bei. „Hyblin hat seinen Plan so durchdacht, daß er gelingen muß.“
In der Tat war Hyblins Plan auch ganz vorzüglich. Er berücksichtigte alles, was Gill während seiner achttägigen Gastrolle im Reading-Haus über die Sicherungen des Tresors in Erfahrung gebracht hatte. Aber etwas konnten die Herren Hyblin und Gill nicht wissen. Den Umstand nämlich, daß John Sharp nach dem Besuch des Unbekannten bei seinem Banksafe einen gewissen unbestimmten Verdacht gefaßt hatte und eine kleine Änderung an den Sicherheitsvorrichtungen vornehmen ließ.
Sie war wirklich äußerst geringfügig. Bestand sie doch nur darin, daß man einerseits in eine bestimmte Gasleitung, die durch John Sharps Privatkontor ging, einen Hahn einbaute und andererseits den elektrisch gesteuerten Verschluß dieser Leitung im Innern des Tresors so umschaltete, daß er sich auf jeden Fall gleichzeitig mit der Tresortür öffnen mußte. Sharp hatte sich damals folgendes gesagt: Wenn der Tresor rechtmäßig geöffnet wird, muß ich selbst mit einem Schlüssel unbedingt dabei sein. Für diesen Fall kann ich vorher in mein Kontor gehen und dort den Hahn in der Gasleitung schließen, wonach die Öffnung des Schrankes gefahrlos geschehen kann.
Bin ich aber bei der Öffnung nicht dabei, dann erfolgt sie bestimmt unrechtmäßig, und dann kann es nur gut sein, wenn dieser Hahn offensteht.
Das war nun heute der Fall. In dem Augenblick, in dem die Tresortür voll aus der Wand herausschwenkte, öffnete sich auch das Ende der Gasleitung im Tresor. Ihr Verschluß wurde ja von einer Trockenbatterie betätigt, die sich im Innern des Tresors befand und den Zugriffen Gills daher entzogen war.
Die Tresortür stand weit offen. Hinter ihr zeigte sich ein großes Regal. Man mußte einen guten Schritt in den Panzerschrank hineintreten, um zu dessen Fächern zu gelangen. Mehrere eiserne Kassetten standen in den Fächern, gebündelte und verschnürte Akten lagen daneben. Dort im Mittelfach ein Paket mit der Aufschrift: >Für den Gewinner des Reading-Rennens<.
Gill wollte vortreten, um sich dieses Päckchens zu bemächtigen, an dem den Russen so viel lag. Hyblin wandte sich zu seinen Leuten: „Der Aktenkram hat keinen Zweck für uns. Die vier eisernen Kassetten da nehmen wir mit.“
Während Hyblin sprach, war Gill in den Schrank getreten und wollte nach dem Paket mit den Plänen Morgan Readings greifen. Da sah Hyblin ihn taumeln, schwanken, bewußtlos zusammenstürzen.
„Teufel, Jungens ... Was ist denn das? Was ist...“
Hyblin konnte nicht weitersprechen. Das betäubende Gas war schon aus dem Tresor heraus in den Gang gedrungen und tat seine Wirkung auch an ihm und seinen Leuten. Noch ehe sie wußten, was geschah, brauste es in ihren Ohren, wurde ihnen schwarz vor den Augen. Sie wankten, stürzten nieder.
John
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