Der Wettlauf zwischen dem Zwerg und der Prinzessin (Die Märchen um Zwergenkönig Jetts Söhne)
den nächsten Tagen dabei, die edlen Züge und den wohlproportionierten Körper des Zwergenjünglings zu mustern. Bald erfand er Vorwände, um den Boten mehrmals am Tag zu einer Unterredung zu bitten. Gemeinsam über den alten Dokumenten brütend, um eine Lösung für das Dilemma des Königs zu finden, war es schließlich Hanno, der den ersten Schritt machte.
"Es ist sehr spät, König Rainer. Vielleicht sollten wir in euer Schlafgemach gehen, um dort über die Sache weiterzudiskutieren", sprach er, mit einem sinnlichen Lächeln auf den Lippen.
Rainer ließ vor Überraschung seinen Stift fallen, mit dem er sich gerade Notizen machte und starrte den Zwergenprinzen mit offenem Mund an.
Hanno errötete. "Verzeiht mir, mein König. Ich bin zu weit gegangen ..."
Rainer fasste sich schnell und legte Hanno liebevoll einen Arm um die Schultern. "Aber ganz und gar nicht, mein Prinz. Gehen wir!"
So kam es, dass in jener Nacht Mensch und Zwerg zu einer ganz anderen Art Übereinkunft kamen. König Rainer war überglücklich, einen so hübschen, leidenschaftlichen und beglückenden Bettgefährten gefunden zu haben. Doch eine solche Verbindung war kaum dazu geeignet, den Bund zwischen den Zwergen und den Menschen angemessen zu symbolisieren. Rainer verheimlichte seine Schwäche für das eigene Geschlecht nicht, seine Gemahlin hatte sich längst damit abgefunden, aber er ging damit auch nicht hausieren.
Der König wollte keine seiner Töchter enttäuschen und sie gegen ihren Willen mit einem ungeliebten Mann verheiraten. Weil er sich selbst nicht zu einer Entscheidung durchringen konnte, schickte er nach seiner Frau. Königin Gwyneth war die weiseste und belesenste Frau des Königreiches, immer bemüht, ihre Bildung zu vervollkommnen. Vor drei Monaten waren in der königlichen Universität verschollen geglaubte Schriftrollen wiederaufgetaucht. Voller Bildungseifer hatte die Königin eine kleine Wohnung in der Universität bezogen und war seitdem kaum zu Hause gewesen. Irritiert darüber, von ihrem Gatten ins Schloss zitiert worden zu sein, rauschte sie in sein Arbeitszimmer. "Weshalb reißt du mich von meinen Studien fort? Ich war gerade dabei, eine sehr bedeutsame Schrift zu übersetzen", fuhr sie Rainer an. Er zog sie in die Arme und gab ihr einen herzhaften Kuss. Als er sie wieder freigab, deutete er auf den ebenfalls im Raum befindlichen Zwergenboten und sagte: "Dies ist Prinz Hanno, ein Brautwerber des Zwergenkönigs Jett. Er bewirbt sich im Namen seines Bruders Apos um die Hand einer unserer Töchter."
"Ach ja, die Tradition, die das Bündnis der Menschen mit den Zwergen festigt", bemerkte Gwyneth zerstreut.
"Du weißt davon, Gemahlin?"
"Als junge Frau habe ich irgendwann einmal davon gelesen. Ich glaube, es war hier in der Schlossbibliothek. Soll ich dir die Dokumente heraussuchen?"
"Meine Berater haben sie schon gefunden."
"Aber wozu brauchst du mich dann noch?"
"Meine Liebe! Es geht um das Schicksal unserer Töchter. Welche soll ich als Braut auswählen? Keine ist freiwillig bereit, einen Zwerg zu heiraten, nicht einmal für Gold und Juwelen oder die Aussicht eines sehr, sehr langen Lebens."
"Dann stimmt es, dass Zwergenmagie das Leben eines Menschen verlängert?", wandte sich Gwyneth an Hanno. Der Prinz verbeugte sich vor ihr. "Ja, meine Königin. Meine Mutter Anita ist eine Menschenfrau und lebt an der Seite meines Vaters Jett seit über fünfhundert Jahren, sehr glücklich, wenn ich hinzufügen darf."
Wohlgefällig musterte Gwyneth den Jüngling. "Wenn euer Bruder Apos nur halb so gut aussieht wie ihr, sind meine Töchter ganz schön dumm, sich einer Ehe mit ihm zu verweigern. Haben sie euch denn nicht näher angeschaut?"
Hanno zuckte mit den Schultern. "Sie sahen nur meine Körpergröße."
Königin Gwyneth bemerkte, mit welcher Zärtlichkeit der Blick des Königs auf dem Prinzen ruhte. "Nun, ein anderes Mitglied der königlichen Familie ist ganz gewiss auf euch aufmerksam geworden", sagte sie mit einem amüsierten Lächeln. Hanno errötete unter dem forschenden Blick der Königin.
"Gwyneth! Du bringst den Prinzen in Verlegenheit."
"Macht er dich glücklich?", fragte sie.
"Sehr!", antwortete Rainer.
"Dann bin ich froh, dass du Ablenkung gefunden hast, während ich mich meinen Forschungen widme."
"Allein meine Königin fehlt in meinem Bett, gleich, wieviel Ablenkung ich auch suche und finde", erwiderte Rainer charmant. Sie hauchte ihm geschmeichelt einen Kuss auf die Lippen. Dann wandte sie sich wieder Hanno zu. Sie
Weitere Kostenlose Bücher