Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
Grenzen des Erlaubten sprengte, dann musste er tatsächlich ein eingefleischter Badnik sein.
Vor einer schweren Tür blieben sie stehen. De Sade schloss sie auf und führte Ella in ein großes Labor mit weiß getünchten Wänden. Im Raum war es stickig und heiß – wie in einer Sauna –, und der Grund war leicht zu erkennen. In der hinteren Ecke sprudelte und blubberte etwas, was wie ein riesiger kupferner Heizungskessel aussah, etwa drei Meter hoch, mit einem Durchmesser von knapp anderthalb Metern. Die Wände waren mit gezackten Lamellen versehen, wahrscheinlich, um das Ding zu kühlen, dachte Ella. Mehrere Rohre wanden sich wie Schlangen aus der Vorrichtung und verschwanden in den Wänden. Zwei schwarze Kabel führten von Anschlussklemmen oben auf der Maschine zu einem riesigen Stuhl mit hoher Rückenlehne, der mitten im Raum stand.
Ella fand den Stuhl am schrecklichsten. Er erinnerte sie an die Bilder, die sie von elektrischen Stühlen kannte. Eine grauenhafte Vorahnung überwältigte sie.
Neben dem Stuhl standen ein Mann und eine Frau, die weiße Laborkittel trugen und sie anstarrten. Der Mann mit den rosigen Wangen kam lächelnd auf sie zu, um ihre Begleiter zu begrüßen, und zeigte dabei seine Zahnlücken. »Ah … Chef-Inquisitor Donatien, ich freue mich, Sie wiederzutreffen.« Die Männer schüttelten sich die Hände, dann wandte der Arzt sich Ella zu. »Und das, so vermute ich, ist das Objekt, das CitiZen Robespierre getestet haben will.«
»In der Tat, Doktor. Das ist die Shade, die als Lady IMmanual bekannt ist.«
»Wunderbar. Wie alt sind Sie, junge Frau?«, wollte der Arzt wissen.
»Achtzehn.«
»Gut. Und Sie scheinen gesund und fit zu sein.« Er trat einen Schritt auf Ella zu und stand wenige Zentimeter vor ihr. Er roch nach Öl und Desinfektionsmittel. Der Mann musterte sie, wie ein Bauer, der eine preisgekrönte Kuh begutachtet. »Leiden Sie an irgendeiner angeborenen Schwäche?«, fragte er und fügte anschließend hinzu: »Abgesehen von Ihrer rassischen Minderwertigkeit, meine ich?«
»Nein«, erwiderte Ella gereizt. »Außerdem betrachte ich meine schwarze Haut keineswegs als minderwertig. Und im Vergleich mit der helleren Haut eines Ariers, der aufs Foltern abfährt, habe ich das Gefühl, dass sie genau das Gegenteil ist.«
»Ha! Die junge Frau ist intelligent und geistreich, Chef-Inquisitor, wie geschaffen für unser kleines Experiment.« Dann wandte er sich an seine Assistentin. »Ich wäre Ihnen dankbar, Miss Godwin, wenn Sie ihr die Fesseln abnehmen könnten. Ich muss sie wiegen und vermessen.«
Als man ihr die Fesseln abnahm, lächelte der Arzt Ella zu. »Sie haben eine Menge Haar, junge Frau …«
Sie setzten Ella auf den Stuhl und fesselten sie an Händen und Füßen, sodass sie hilflos ertragen musste, wie die Assistentin des Arztes ihr mit einem scharfen Rasiermesser den Kopf kahl schor.
Dann untersuchte der Arzt sie eine geschlagene halbe Stunde lang und nahm sich viel Zeit, um ihren Kopf zu vermessen, den Neigungswinkel von Kiefer und Stirn zu bestimmen und jede Unebenheit auf ihrer Stirn und ihrem Schädel zu befummeln. Die Gummihandschuhe des Arztes waren leider derart dick, dass PINC Ella nichts über den Mann verraten konnte, doch PINC war nicht der Einzige, der ratlos war.
»Sehr seltsam«, sinnierte der Arzt, trat einen Schritt zurück und musterte Ella. »Ich würde Ihnen ja die anomalen Ergebnisse meiner Untersuchung gern erklären, aber ich glaube nicht, dass ein rassisch minderwertiges Wesen wie Sie eine Ahnung von der Wissenschaft der Phrenologie besitzt.«
Zu seiner großen Überraschung verstand Ella durchaus etwas von Phrenologie. In ihrem Psychologiekurs in der Realen Welt hatte sie einen Aufsatz über den Einfluss dieser Scheinwissenschaft auf die Zunahme rassischer Vorurteile geschrieben. Die Phrenologie – die Theorie, dass man aus der Form und Größe des Schädels eines Menschen wissenschaftliche Erkenntnisse über dessen Persönlichkeit und Intellekt gewinnen konnte – war ihr Hauptthema gewesen.
»Dass die Phrenologie eine Wissenschaft sein soll, ist mir nicht bekannt«, entgegnete sie. »Ich kenne sie höchstens als Pseudowissenschaft. Reiner Unsinn, der dazu dient, rassistischen Schwachsinn zu verbreiten, etwa, dass manche Menschen anderen überlegen wären. Es ist seit vielen, vielen Jahren bewiesen, dass sie als medizinische Methode nichts taugt.«
Der Arzt runzelte die Stirn. »Wie ist das möglich? Die Phrenologie ist eine sehr junge
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