Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
trügerische Unschuld. Zolotow hatte sich längst selbst verdorben, mit seiner Hurerei, den unzähligen Duellen, seiner Trunk- und Spielsucht und anderen, weitaus schlimmeren Lastern. Seine Boshaftigkeit war in den besseren Kreisen berüchtigt; kaum tauchte er irgendwo auf, brachten die Matronen in Sankt Petersburg ihre Töchter in Sicherheit, auch wenn manche von ihnen weniger vorsichtig waren, wenn es um ihr eigenes Engagement mit dem attraktiven Zolotow ging.
»Da wir gerade bei Großzügigkeit sind, Kamerad Zolotow – offensichtlich haben Sie die Dienste meines Schneiders in Anspruch genommen.«
Der junge Mann zuckte nur kurz und aufreizend mit den kräftigen Schultern. »Wer blaues Blut hat … hoppla, verzeihen Sie, Stellvertretender Führer, ich meinte natürlich arisches Blut, ist genötigt, auf sein Äußeres zu achten.« Er wischte eine widerspenstige Fluse von der Hose seines tadellos geschnittenen Anzugs. »Ich muss zugeben, dass Ihr Schneider ein Meister ist, Kamerad, was ich von Ihrem Schuster leider nicht behaupten kann.« An dieser Stelle hob er das Bein, damit Beria seine glänzenden Lederstiefel bewundern konnte. »Sie drücken höllisch.«
»Ich freue mich, dass Sie mit meinem Schneider zufrieden sind, trotzdem wäre es mir lieber, wenn Ihre Bestellungen nicht länger auf meine Rechnung gingen.«
Falls Zolotow über den Rüffel beunruhigt war, so ließ er sich nichts anmerken. Er entschuldigte sich mit einem flüchtigen Lächeln. »Wer derart mittellos ist wie ich, Kamerad Stellvertretender Führer, muss seinen Stolz hinunterschlucken und die Almosen so annehmen, wie sie kommen. Sie waren überaus großzügig mir gegenüber.«
»Schön, dass Sie zumindest meine Großzügigkeit zu schätzen wissen, Zolotow. Nun, ich habe einen kleinen Auftrag für Sie, mit dem Sie Ihre Schulden begleichen können.«
Andrej Zolotow hörte auf, das Bein zu schwingen, und schenkte Beria zum ersten Mal seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Ich will doch sehr hoffen, Kamerad Beria, dass Sie nicht diesen einschüchternden Ton anschlagen, den mein verehrter Papa so liebte, um mir nahezulegen, in die Armee einzutreten oder noch schlimmer, einen diplomatischen Posten in einem ABBA verlassenen Kaff anzunehmen, dessen Sprache ich nicht sprechen könnte, es sei denn, mit einem Mund voll Schleim. Wenn ja, so darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich eine gewisse Intoleranz gegenüber Autoritäten habe.« Zolotow sprach das Wort »Autoritäten« so aus, als würde ihm allein bei dem Gedanken übel.
»Und auch gegenüber harter Arbeit, Ihrem verehrten Papa zufolge. Nein, Zolotow, der Auftrag, den ich für Sie habe, entspricht Ihren natürlichen Talenten: Verrat, Trickserei, Verführung und Mord.«
»In diesem Fall bin ich ganz Ohr, Kamerad Beria.«
»Zweifellos haben Sie von Lady IMmanual gehört.«
»War das nicht die Hexe, die das Wunder an der Grenzschicht vollführte? Ich glaube, mich daran zu erinnern.«
Beria atmete tief durch. Er war immer wieder überrascht, wie wenig sich die heutige Jugend für das allgemeine Weltgeschehen interessierte. »Ja, das ist sie. Mit Hilfe von WhoDoo-Magie gelang es ihr, die Grenzschicht zu öffnen. Damit ermöglichte sie drei Millionen nuJus die Flucht aus Warschau ins Große Jenseits. Es war dasselbe junge Ding, das als Mambo Laveau verkleidet in Dashwood Manor auftrat. Sie haben mit dem Großen Führer damals an der Veranstaltung teilgenommen. Erinnern Sie sich? Sie war die Shade.«
Zolotow schüttelte den Kopf. »Nein, während der Séance war ich leider anderweitig beschäftigt.«
Anderweitig beschäftigt, vermutlich mit einem Dienstmädchen der Dashwoods , dachte Beria bei sich.
»Was aber nicht heißt, dass ich ihr nie begegnet bin. Manche meiner Begegnungen mit Damen sind sehr kurz, und die Gespräche beschränken sich auf bestimmte … atemlose Aspekte. Da derartige Begegnungen unweigerlich im Dunkeln stattfinden, wäre mir ihre Hautfarbe wohl kaum aufgefallen.« Er warf Beria einen nervösen Blick zu. »Sie wird doch nicht schwanger sein, oder?«
Beria lachte. »Nein, sie ist nicht schwanger, aber gefährlich. So gefährlich, dass der Große Führer sie zur ernsten Bedrohung für das ForthRight erklärt hat. Nach den Ereignissen im Warschauer Ghetto flüchtete sie ins Quartier Chaud, wo sie jetzt in der Falle sitzt. Ihre Flucht wurde von einem gewissenlosen Burschen namens Burlesque Bandstand organisiert.« Beria wedelte mit einem Stück Papier vor Zolotows Nase.
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