Der Widerstand
Gerüchte und Spekulationen haben schon fast etwas von unserer eigenen Art an sich, nur dass ich mir nicht vorstellen könnte, wie irgendeiner von unseren Leuten sich zu solchen Mutmaßungen über unsere Anführer verleiten lassen könnte.
Es finden sich allerdings nur sehr wenige Hinweise auf die Fähigkeit oder auch nur auf irgendwelche organisierten Bemühungen vonseiten der nationalen Regierungen, über das Internet die Kontrolle über die Lage zurückzuerlangen. Aufrufe in dieser Richtung tauchen zwar regelmäßig auf, aber die bleiben alle ergebnislos. Oder besser gesagt: Die Reaktionen darauf erfolgen nicht in einer Weise, die von der Mehrheit der Menschen als ernsthafte Bemühungen aufgefasst werden. Stattdessen werden die Urheber solcher Aufrufe in den meisten Fällen als ›Spinner‹ bezeichnet – ein Begriff, der normalerweise für Geistesschwache und Scharlatane verwendet wird, Flottenkommandant –, oder aber sie mutmaßen, dass wir dahinterstecken könnten. Offenbar haben die Menschen zu einem früheren Zeitpunkt Erfahrungen mit Außenstehenden gesammelt, die mithilfe einer theoretisch legitimen Regierung die eigentliche Macht ausüben. Es gibt sogar eine ganze Reihe von Bezeichnungen für diese Art von Arrangement und für die Menschen, die dazu stehen. ›Marionettenregierung‹, ›Demokratie-Fassade‹, ›kapitalistische Mitläufer‹ … die Liste ist lang, und allem Anschein nach fühlen sich Menschen nicht dazu verpflichtet, sich der Autorität der lokalen Regierung zu beugen, wenn sie wissen, dass solche Machenschaften im Spiel sind.«
Die Ohren aller Anwesenden richteten sich vor Erstaunen halb auf, als Thikairs Offiziere versuchten, diese bizarre Denkweise nachzuvollziehen. Ihre Körpersprache verriet, dass ihnen das genauso wenig gelang wie dem Flottenkommandanten selbst, überlegte der mit einem Anflug von ironischer Belustigung.
»Und die Sicherheitsaspekte der gegenwärtigen Situation, Basislagerkommandantin?«, erkundigte er sich.
»Gegenwärtig, Flottenkommandant, sind mein Stab und ich nicht um die Sicherheit unserer eigenen Systeme besorgt. Zwar ist die Computertechnologie der Menschen in vielen Punkten erstaunlich fortschrittlich und innovativ, aber sie ist weit davon entfernt, unserer ebenbürtig zu sein. Sie lassen ein überraschendes Maß an … ›Erfindungsreichtum‹ erkennen, möchte ich sagen. Ihre Anstrengungen, unsere Schutzmaßnahmen zu überwinden, werden schneller als von uns erwartet mit jedem neuen Versuch besser und ausgefeilter. Aber angesichts ihrer allgemeinen technologischen Weiterentwicklung ist das wohl keine große Überraschung. Die Bemühungen, in unsere Systeme einzubrechen, werden nicht nur qualitativ besser, es werden auch immer mehr, die in immer kürzeren Abständen erfolgen. Ich sehe trotzdem keinen Grund zu der Befürchtung, dass ihnen das in nächster Zeit gelingen könnte. Allerdings muss ich auch daraufhin einräumen, wenn wir sie noch viel länger weitermachen lassen, dann steigen ihre Chancen auf einen Erfolg letztlich rasant an.«
Sie hatte nicht erwähnt, dass sie und ihre Analysten bislang praktisch alle Versuche, in das Computernetz der Flotte einzudringen, als von sogenannten ›Freelancern‹ kommend eingestuft hatten, stellte Thikair fest. Wenn man von der Annahme ausging, dass lokale Regierungen über größere kybernetische Fähigkeiten verfügt hatten als die einzelnen Bürger, dann bedeutete das ein Maß an weit verbreiteten Fähigkeiten und an Motivation, über das er lieber nicht zu intensiv nachdenken wollte.
»Bislang«, meldete er sich wieder zu Wort und wandte sich an alle Anwesenden, »haben wir die Navigations- und Kommunikationssatelliten dieser Kreaturen unbehelligt gelassen. Aber da sich unsere komplette Flotte nun im Orbit um den Planeten befindet, haben die Navigationssatelliten ihre anfängliche Bedeutung im Anschluss an unsere Landung verloren. Ich wüsste keinen Grund, warum wir sie weiter diese Kapazitäten nutzen lassen sollten. Zudem vermute ich, dass es diesen kleinen Infanterieeinheiten das Leben schwerer machen wird, wenn sie mit einem Mal ohne die Signale ihrer Satelliten auskommen müssen. Unter dem gleichen Gesichtspunkt haben wir ihr Internet weiter funktionstüchtig gelassen, weil sie sich auf diesem Weg gegenseitig von ihrer Niederlage und ihrer Kapitulation berichten sollten und damit es eine angemessene Kommunikationsschnittstelle gibt, wenn sie uns ihre Unterwerfung mitteilen. Offensichtlich wird
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