Der Windsänger
dessen Oberlippe stets Rotz glänzte, weil er keine Mutter hatte, die ihm sagte, dass er sich die Nase putzen solle. Der stinkende Mumpo, um den alle einen großen Bogen machten, weil ihm kein Vater sagte, dass er sich waschen solle.
Dr. Batch stapfte zur Notentafel der Klasse hinüber, auf der die Namen aller Schüler ihren Leistungen gemäß aufgelistet waren. Jeden Tag nach dem Unterricht wurde die aktuelle Punktzahl der Schüler berechnet und die neue Rangliste aufgestellt.
»Ich werde jedem von euch fünf Punkte abziehen«, verkündete Dr. Batch. Und dann berechnete er auf der Stelle, welchen Platz sie nun in der Rangfolge der Klasse einnahmen. Bowman und Kestrel fielen um zwei Plätze zurück, auf den fünfundzwanzigsten und sechsundzwanzigsten Platz, während die Klasse gebannt zuschaute.
»Abwärts, abwärts, abwärts«, stellte Dr. Batch fest, als er die Änderungen eintrug. »Was unternehmen wir, wenn wir merken, dass wir immer weiter abrutschen?«
Die Klasse leierte im Chor die Antwort herunter. »Wir arbeiten härter und setzen uns höhere Ziele, damit wir morgen besser sind als heute.«
»Härter. Höher. Besser.« Er wandte sich wieder an Bowman und Kestrel. »Ich hoffe, dass ihr eure Hausaufgaben nicht noch einmal vergesst. Setzt euch auf eure Plätze.«
Als sie durch die Reihen gingen, spürte Bowman, wie der Hass in Kestrel gärte – Hass auf Dr. Batch, auf die große Notentafel, auf die Schule und auf ganz Aramanth.
Ist nicht so schlimm, sagte er in Gedanken zu ihr. Das holen wir schon wieder auf.
Das will ich gar nicht, antwortete sie. Es ist mir egal.
Bowman blieb neben dem Tisch stehen, an dem sie nun sitzen sollten – zwei Reihen hinter ihrem alten Tisch. Doch Kestrel ging weiter bis ganz nach hinten, wo Mumpo saß. Der Platz neben ihm war frei, weil er immer Klassenletzter war. Hier setzte sich Kestrel hin.
Dr. Batch machte ein erstauntes Gesicht, Mumpo ebenfalls.
»Hallo-o«, begrüßte er sie und hauchte seinen faulen Atem in ihre Richtung.
Kestrel wandte sich ab und hielt sich die Hand vors Gesicht.
»Magst du mich?«, fragte Mumpo und lehnte sich zu ihr hinüber.
»Geh weg«, erwiderte Kestrel. »Du stinkst.«
Dr. Batch brüllte ihr vom anderen Ende des Klassenzimmers zu: »Kestrel Hath! Setz dich sofort an deinen richtigen Platz!«
»Nein«, entgegnete Kestrel.
Die ganze Klasse erstarrte.
»Nein?«, wiederholte Dr. Batch. »Hast du ›nein‹ gesagt?«
»Ja«, antwortete Kestrel.
»Möchtest du, dass ich dir weitere fünf Punkte wegen Ungehorsams abziehe?«
»Das können Sie machen«, sagte Kestrel. »Ist mir egal.«
»Es ist dir egal?« Dr. Batch lief dunkelrot an. »Ich werde dir zeigen, wie egal es dir sein darf! Du tust, was ich dir sage, sonst…«
»Sonst was?«, wollte Kestrel wissen.
Dr. Batch starrte sie nur an, ihm fehlten die Worte.
»Ich sitze doch schon ganz hinten«, fuhr Kestrel fort. »Was können Sie mir denn noch antun?«
Dr. Batch rang noch einen Moment lang still mit sich selbst. Wie sollte er am besten vorgehen? Die Klasse hielt derweil den Atem an und Mumpo rückte noch näher an Kestrel heran. Kestrel drehte sich noch weiter von ihm weg und verzog angewidert das Gesicht. Dr. Batch bemerkte es und sein ratloser Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein rachsüchtiges Lächeln. Langsam schritt er durch die Klasse auf Kestrel zu.
»Schüler«, begann er sanft mit einer Stimme, die er wieder völlig unter Kontrolle hatte. »Dreht euch mal um und schaut euch Kestrel Hath an.«
Alle wandten sich zu Kestrel um.
»Kestrel hat einen neuen Freund gefunden. Und wie ihr seht, ist es unser guter alter Mumpo. Kestrel und Mumpo, Seite an Seite. Wie gefällt dir deine neue Freundin, Mumpo?«
Mumpo nickte und lächelte. »Ich mag Kess.«
»Er mag dich, Kestrel«, sagte Dr. Batch. »Warum rückst du nicht näher an ihn heran? Du könntest deinen Arm um ihn legen. Du könntest dich an ihn kuscheln. Er ist schließlich dein neuer Freund. Und wer weiß, in ein paar Jahren heiratet ihr vielleicht. Dann kannst du Mrs. Mumpo sein und viele kleine Mumpo-Babys kriegen. Würde dir das gefallen? Drei oder vier kleine Mumpo-Babys, die du waschen und denen du die Nase putzen kannst?«
Die Klasse kicherte. Dr. Batch war zufrieden. Er wusste, dass er die Oberhand wiedergewonnen hatte. Kestrel saß stocksteif auf ihrem Platz und glühte vor Wut und Scham, sagte jedoch nichts.
»Aber vielleicht irre
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