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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Weidenholzer
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legen, Kaffee hineinschütten, Wasser in den dafür vorgesehenen Behälter füllen, die Kaffeemaschine schließen, einschalten. Wie sind Sie denn in das Haus gekommen, würde Maria fragen, Sie haben nicht geläutet. Die Haustür stand offen, würde die Person vom Haus gegenüber sagen. Nein, würde Maria sagen. Doch, würde die Person vom Haus gegenüber sagen, der Keil war untergeschoben. Hmm, würde Maria sagen, und dann: Es ist gefährlich, wenn die Haustür offen steht, man weiß nicht, wer ins Haus gelangt, es könnten die Falschen sein. Haben Sie die Zeitung gelesen, würde die Person aus dem Haus gegenüber fragen. Diese Welt ist im Grunde doch schrecklich, verstehen Sie das alles noch. Verstehen Sie, was das für Sie bedeutet, Frau Beerenberger. Nein, würde Maria sagen, ich habe den Überblick verloren. Wissen Sie, was ein Schwankschwindel ist, würde Maria fragen. Ein Schwankschwindel ist ein Schwindel, der ohne Drehbewegung ausgelöst wird, ein Schwankschwindel ist ein Angstschwindel. Woher wissen Sie das, würde die Person vom Haus gegenüber fragen, arbeiten Sie im Gesundheitsbereich. Nein, würde Maria antworten, ich bin Textilverkäuferin. Ein interessanter Beruf, würde die Person vom Haus gegenüber sagen, Sie kennen sich bestimmt gut mit Kleidung aus. Ja, würde Maria sagen, ich habe gelernt, welche Eigenschaften bestimmte Stoffe haben. Ich habe gelernt, wie verschiedene Kleidungsstücke gewaschen werden. Ich habe gelernt zu beraten. Wo arbeiten Sie, würde die Person vom Haus gegenüber fragen.
    An diesem Montag sitzt Maria die alte Frau aus dem dritten Stock gegenüber, die ihre Vorhänge bereits am Nachmittag zuzieht und alle zwei Monate die Fenster putzt. Sie putzt ihre Fenster sehr ordentlich, sie wischt selbst die Fensterbretter ab, die sie niemals sieht, die auch die Nachbarn nicht sehen, weil niemand so nahe an die Fenster im dritten Stock kommt, außer die Tauben, denkt Maria, und die haben keine Augen für geputzte Fensterbretter. Gefährlich wird es, wenn die Frau aus dem dritten Stock die Außenflächen der Oberlichten putzt, die sich nicht öffnen lassen. Dann steigt sie mit einem Fuß auf das äußere Fensterbrett, hält sich mit der rechten Hand am Rahmen fest und wischt mit der linken über das Glas. Der Vorgang dauert einige Minuten, Maria steht dann an ihrem Fenster, beobachtet die Frau, jederzeit bereit, zum Telefon zu laufen. Maria würde zuerst zum Telefon laufen und dann zu der gestürzten Frau hinunter, darüber hat sie lange nachgedacht. Weil der Frau wahrscheinlich ohnehin nicht mehr zu helfen wäre, würde Maria zuerst die Einsatzkräfte verständigen, sie würde, während sie hinaus auf die Straße läuft, hoffen, dass sie nicht die Einzige ist, dass bereits jemand neben der Frau kniet und das Genick schön gebrochen ist. Wenn Maria die Frau beim Fensterputzen beobachtet, denkt sie oft daran, ihren Erste-Hilfe-Kurs aufzufrischen. Ja, das sollte ich machen, sagt sie dann und wendet den Blick nicht von der Frau ab, aber wahrscheinlich wird ihr ohnehin nicht mehr zu helfen sein.
    Die Personen vom Haus gegenüber wechseln einander ab in Marias Küche, wenn sie mit dem Licht spielt. Nur der Mann aus dem vierten Stock kommt Maria nicht in die Wohnung, der Mann, der auch im Dunkeln kein Licht macht und am Wochenende seine Unterhose zum Trocknen aus dem Fenster hängt. Weil ich Angst vor ihm habe, würde Maria sagen, würde sie jemand fragen, warum. Heute, würde Maria sagen, heute gibt es doch genügend Unterhosen, weshalb kauft der Mann aus dem vierten Stock keine, die hat doch schon Löcher. Und was trägt er, während seine Unterhose trocknet.
    Wie lange Maria mit dem Licht spielt, hängt davon ab, wann sie an Walter denkt. Sobald Maria an Walter denkt, hört sie auf, das Licht zu dimmen. Weißt du, was das Strom verbraucht, sagte Walter, wenn Maria am Lichtschalter drehte, hör auf damit. Die Letzte macht das Licht aus, sagte Herr Willert, wenn sie abends aus dem Geschäft gingen, wenn alle Arbeit verrichtet war und der nächste Tag vor ihnen lag. Haben Sie an alle Lichter gedacht, auch an das Aufenthaltsraumlicht, sagte Herr Willert, wenn er die Tür abschloss und die Rollgitter hinunterzog, kurz bevor sie sich dann auf der Straße verabschiedeten. Herr Willert bog meistens nach zwei Metern in das Espresso ab, um ein
Feierabendglas
zu trinken, wie er sagte: Auf Wiedersehen, ich trinke noch ein Feierabendglas. Nach Begleitung fragte er nie, und an manchen Tagen klang

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