Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
gefriert, hat man einen Tod zu verantworten. Ottos Schachtel ist kein Polster untergelegt, sie steht auf der Bank, wie sie bis zuletzt im Gemüsefach des Kühlschranks stand. Bis heute Morgen, als Maria den Kühlschrank öffnete und das Eis bemerkte, das sich auf der Rückwand des Kühlschranks gebildet hatte. Maria sieht hinüber zu Otto. Spring doch, sagt sie. Spring doch, bleib nicht sitzen. Aber Otto kann nicht springen, die Schachtel ist geschlossen. Maria hat die Schachtel dort hingestellt, wo die Sonne nie hinkommt, damit er nicht zu schnell auftaut, sie nimmt vorsichtig den Deckel ab. Dann wartet sie, es ist ein milder Wintertag. Schnee und Eis lösen sich von den Häusern und es tropft. Als würden die Häuser weinen, hat einmal eine gesagt, pass auf, dass dich das Eis nicht erschlägt.
Ich habe regelmäßig für ausreichend Luftzufuhr gesorgt, denkt Maria, sein Darm war entleert, ich habe ihn gut vorbereitet. Ich habe die Schachtel mit Erde gefüllt, eine Schicht Moos und Laub darauf gelegt. Ich habe das Moos und Laub stets feucht gehalten, feucht, aber nicht nass. Ich habe für ausreichend Luftzufuhr gesorgt. Maria sieht hinüber zu Otto. Sie möchte sitzen bleiben, bis der Frost von seiner Oberseite verschwunden ist und sich die Blätter von der Unterseite lösen. Dieses Mal wird er nicht zusammenzucken, wenn ich ihn berühre, denkt Maria und lächelt. Sie fährt mit dem Finger über Otto, ohne ihn zu streifen. Wie sie über den Kater im Hof strich, wenn er zum Gemüsebeet kam. Vom Kopf über den Rücken, zwei Zentimeter Abstand von seinem Körper, das mochte der Kater, dann schnurrte er mit offenem Mund. Berührungen mochte er nicht. Wenn er berührt wurde, legte der Kater die Ohren zurück, beizeiten biss er sich in der Hand, die ihn streichelte, fest. Der Kater war herrenlos, wie Walter sagte, aber Isolde stellte ihm täglich eine Schale Trockenfutter vor die Tür. Der herrenlose Kater wurde dicker als die Katzen vom Haus, denen er die Ohren einriss, wenn sie sein Revier betraten. Ottos Schachtel steht dort, wo der Kater manchmal versuchte, über den Balkon in die Küche zu gelangen, bis Walter seinen Hausschuh nach ihm schmiss.
Ich habe für ausreichend Luftzufuhr gesorgt. Ich habe ihm Ruhe gelassen. Ich habe den Kühlschrank leise geöffnet. Ich habe mit einem Thermometer die Temperatur überwacht, fünf Grad, nicht mehr als acht Grad Celsius, bei Temperaturen über acht Grad wäre Otto erwacht. Der Frost auf Ottos Rücken beginnt sich zu lösen, seine Augen sind noch von einer weißen Schicht bedeckt. Hart ist sein Körper, aber Maria greift ihn nicht an. Maria sitzt neben Otto, sie sagt: Warten wir ab, man soll nichts unversucht lassen, jeder ist seines Glückes Schmied. Weißt du, erst vor kurzem war ein Mann im Fernsehen, ein wohlhabender, ein gut aussehender Mann, wohlhabende Männer wissen, wie man sich kleidet. Er hatte Krebs und die Ärzte sagten, der Krebs sei inoperabel. Sie operierten ihn trotzdem, der Mann ist gesund. Weil er an sich glaubte, sagte er im Fernsehen, das Wichtigste ist, an sich zu glauben. Das Leben gibt einem oft Prüfungen auf, und nur wer sie besteht, gewinnt. Das sagte er. Siehst du, wenn du aufwachst, wird noch Winter sein, aber der Frühling wird bald kommen. Du kannst bei mir bleiben, bis es warm genug ist. Ich werde dir im Vorzimmer einen Platz einrichten, ich werde für dich Fliegen fangen, ich werde dich gut versorgen. Und dann, dann werden wir zum Teich gehen. Ich werde dich tragen, für dich wäre der Weg zu weit. Du wirst neue Freunde finden, du wirst niemals alleine sein. Siehst du, der Frost löst sich schon. Ich werde einen Strumpf über deine Schachtel spannen müssen, damit du nicht herausspringst, damit du nicht verloren gehst im Schnee.
Maria erschrickt, als sie hört, dass jemand ein Fenster öffnet. Sie räuspert sich, steht auf, wischt mit der Hand den Schnee vom Balkongeländer. Der Fernseher läuft. Es ist kurz vor Mittag, bald kommen die Nachrichten. Zur vollen Stunde schlägt in Marias Wohnzimmer die Pendeluhr, einmal für jede Stunde. Maria schaltet den Fernseher ab, schiebt den Vorhang ein Stück zur Seite, schaut durch das Fenster auf die Straße. Menschen gehen vorüber, warm gekleidet, ein Schneebrocken löst sich und fällt einer Frau auf den Kopf. Maria hält sich die Hand vor den Mund, wartet ab, wie sich die Frau auf den Kopf greift, den Schnee von ihrer Kleidung putzt und weitergeht. Oje, sagt Maria und zieht den Vorhang zu. Sie geht
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