Der Winterschmied
Es ist meine Entscheidung. Und ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen, fügte sie hinzu.
Donner in meiner rechten Hand. Blitz in meiner linken.
Feuer über mir...
»Bitte nimm den Winter weg«, sagte sie. »Kehr in deine Berge zurück. Bitte.«
Eis vor mir...
»Nein. Ich bin der Winter. Ich kann nichts anderes sein.«
»Dann kannst du auch kein Mensch sein«, sagte Tiffany. »Die letzten drei Zeilen lauten: >Genug Kraft, um ein Haus zu bauen, genug Zeit, ein Kind zu halten, genug Liebe, um ein Herz zu brechen.<«
Gleichgewicht... und es kam schnell, aus dem Nichts, und hob sie innerlich hoch.
Die Mitte der Wippe bewegt sich nicht. Sie fühlt weder Oben noch Unten. Sie befindet sich im Gleichgewicht.
Gleichgewicht... Und seine Lippen waren wie blaues Eis. Tiffany würde später um den Winterschmied weinen, der ein Mensch sein wollte.
Gleichgewicht... und die alte Kelda hatte ihr einmal gesagt: »Es gibt ein klitzekleines Stück in dir, das nicht schmilzt und nicht zerfließt.«
Zeit zum Schmelzen.
Tiffany schloss die Augen und küsste den Winterschmied ...
... und holte die Sonne herunter.
Eis zu Feuer.
Der ganze obere Teil des Eispalastes schmolz in einem weißen Lichtblitz, der noch hundert Meilen entfernt Schatten an Wände warf. Eine Säule aus Dampf donnerte empor, von Blitzen durchsetzt, breitete sich wie ein Schirm über der Welt aus und verdunkelte die Sonne. Dann fiel ein sanfter, warmer Regen aus ihr, der kleine Wurmlöcher in den Schnee bohrte.
Tiffanys Kopf, der normalerweise immer voller Gedanken steckte, war leer. Sie lag auf einer Eisplatte im warmen Regen und hörte, wie um sie herum der Palast einstürzte.
Manchmal ist all das, was man tun kann, getan, und dann kann man sich nur noch zusammenrollen und darauf warten, dass das Donnern aufhört.
Es lag noch etwas anderes in der Luft, ein goldenes Schimmern, das verschwand, wenn Tiffany den Blick darauf zu richten versuchte, und dann wieder in ihrem Augenwinkel erschien.
Der Palast schmolz wie ein Wasserfall. Die Platte, auf der sie lag, rutschte und schwamm eine Treppe hinunter, die sich in einen Fluss verwandelte. Über ihr stürzten riesige Eissäulen um, verwandelten sich noch im Fallen in warmes Wasser und erreichten den Boden schließlich als Sprühregen.
Leb wohl, glitzernde Krone, dachte Tiffany. Leb wohl, Kleid aus tanzendem Licht, und lebt wohl, ihr Eisrosen
und Schneeflocken. Wie schade. Wie schade.
Und dann war Gras unter ihr, und so viel Wasser strömte an ihr vorbei, dass sie aufstehen musste, um nicht zu ertrinken. Sie schaffte es zumindest, sich hinzuknien, und wartete, bis sie sich erheben konnte, ohne von den Beinen gerissen zu werden.
»Du hast etwas, das mir gehört, Kind«, ertönte eine Stimme hinter ihr. Tiffany drehte sich um, und das goldene Licht wurde zu einer Gestalt. Sie sah aus wie sie selbst, aber die Augen ähnelten denen... einer Schlange. Unter den gegenwärtigen Umständen, noch mit dem Tosen der Sonnenhitze in den Ohren, wunderte Tiffany gar nichts mehr.
Langsam holte sie das Füllhorn aus der Tasche und reichte es der Gestalt.
»Du bist die Sommerfrau, nicht wahr?«, fragte sie.
»Und du bist das Schafmädchen, das meinen Platz einnehmen wollte.« Ein Zischen begleitete die Worte.
»Das wollte ich gar nicht!«, erwiderte Tiffany hastig. »Warum siehst du wie ich aus?«
Die Sommerfrau setzte sich ins dampfende Gras. Es ist sehr seltsam, sich selbst zu beobachten, und Tiffany bemerkte, dass sie einen kleinen Leberfleck am Nacken hatte.
»Man nennt so etwas Resonanz«, sagte die Sommerfrau. »Weißt du, was das ist?«
»Es bedeutet >mitschwingen<«, erwiderte Tiffany.
»Woher weiß ein Schafmädchen so etwas?«
»Ich habe ein Wörterbuch«, sagte Tiffany. »Und außerdem bin ich eine Hexe.«
»Nun, während du dir Dinge von mir angeeignet hast, Schafmädchen, habe ich mir Dinge von dir angeeignet«, sagte die Sommerfrau. Sie erinnerte Tiffany stark an Annagramma. Und das war eine Erleichterung. Sie klang nicht klug oder nett... Sie war nur eine andere Person, die zufälligerweise über große Macht verfügte, aber nicht übermäßig klug war und einem, ehrlich gesagt, ein bisschen auf die Nerven ging.
»Wie sieht deine wahre Gestalt aus?«, fragte Tiffany.
»Es ist die Gestalt der Hitze auf einer Straße und des Duftes eines Apfels.« Klingt hübsch, dachte Tiffany. Ist aber nicht sonderlich hilfreich.
Sie setzte sich neben die Göttin. »Bin ich in Schwierigkeiten?«, fragte
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