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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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meiner Fragen, aber nicht alle. Wenn es um Zahlen und Leute ging, lächelte er nur und schüttelte den Kopf. Handelte es sich aber um Sachverhalte und Fragen grundsätzlicher Natur, antwortete er anstandslos.
    Er war zum Beispiel gewillt, mir zu sagen, was er von der Gesellschaft hielt – endlos lang. Aber er wollte mir nicht sagen, wieviel Anhänger er in der Welt hatte. Er war nicht bereit, mir auch nur einen Namen der Menschen, die um uns herum arbeiteten, zu nennen. Aber er informierte mich mit Freuden über den Ort selbst.
    »Geschichte, Mr. Wills«, sagte er höflich. »In der Geschichte findet der Mensch alles, was er wissen muß. Werfen Sie einen Blick in die Bücher, und Sie werden von Mussolini erfahren. Er lebte in Rom, als diese Halbinsel noch ein einziger Staat war, und er begann mit dem Bau einer Untergrundbahn. In den Archiven gibt es sogar noch Karten darüber. Sie ist jetzt fast vollständig aufgegeben und verlassen. Einige Abschnitte wurden niemals fertig, aber die Schächte sind da, und wir speisen unser Lichtnetz immer noch aus ihrer Hauptleitung.«
    »Und man kommt nur durch die Katakomben hinein?«
    Der Funke in seinen Augen leuchtete eine Sekunde lang hell auf, dann zuckte er mit den Schultern. »Warum sollte ich es Ihnen nicht sagen? Nein. Es gibt noch einige andere Eingänge, aber sie sind unbequem und ungünstig gelegen.« Er kicherte. »Einer zum Beispiel ist in einem Teil der U-Bahn, der noch in Funktion ist. Aber er wäre Ihnen nicht dienlich gewesen, müssen Sie wissen, Rena hätte ihn nämlich nicht benutzen können. Es ist die Herrentoilette.«
    Wir kicherten, Slovetski und ich. Ich mochte ihn. Er sah so aus wie das, was er einmal gewesen war: ein Geschichtslehrer in einer der Schulen der Gesellschaft irgendwo in Europa. Wir sprachen über die Geschichte und die Zivilisation und die Menschheit im allgemeinen und all die anderen großen Fragen und schwerwiegenden Probleme. Er war sehr schulmeisterhaft und bestimmt in dem, was er sagte, eben wie ein Geschichtslehrer. Aber er zeigte Verständnis. Er trug meinen Hintergrund, meiner Herkunft Rechnung, und sagte mir nicht, daß ich ein Narr sei. Er war ein geduldiger Mönch, der einen Novizen in die Mysterien des Ordens einweihte – und ich fühlte mich wohl bei ihm.
    Aber da war immer noch dieses Funkeln in seinen Augen.
    Rena verschwand fast sofort, nachdem wir sicher in den Tunnels waren. Benedetto war in der Nähe, aber genauso beschäftigt wie Slovetski und genauso geheimnisvoll, was die Art seiner Beschäftigung betraf. Also blieb mir nur Zorchi als Gesellschaft, und das war alles andere als ein Vergnügen.
    Wir aßen zu Mittag. »Essen!« sagte Zorchi, und das Wort war ein Fluch. »Das bieten Sie mir als Essen an! Das ist für Schweine, Wiehls. Nicht für Zorchi!« Er schob den Teller zur Seite und starrte mürrisch auf den Tisch.
    Wir teilten uns ein Zimmer, und einer von Slovetskis Männer hatte eine Apparatur mit einem Flaschenzug an der Decke befestigt, so daß Zorchi ohne Hilfe in sein Bett klettern konnte. Er war an die Hilfe eines Dieners gewöhnt, und als er die Maschinerie zum ersten Mal ausprobierte, rutschte er aus und fiel auf seine Beinstümpfe. Es mußte sehr weh getan haben. »Mörder«, kreischte er. »Alles Mörder! Erst sperren sie mich zusammen mit dem Mörderlehrling in dieses armselige Loch, und dann bauen die anderen Meuchelmörder eine Guillotine, mit der ich mich selbst umbringen soll!«
    Wir unterhielten uns mit Slovetski über die Ideale und Prinzipien seiner Bewegung. Zorchi starrte widerspenstig auf die Wand. Ich fand die ganze Sache ausgesprochen interessant … erschütternd, aber interessant. Aber Zorchi war immun gegen Erschütterungen – »Ist das vielleicht etwas Neues für Sie, Wiehls, daß die Gesellschaft eine unersättliche Bestie ist?« –,und er interessierte sich für nichts anderes auf der Welt als für Zorchi.
    Am Ende des zweiten Tages stellte ich jedes Gespräch mit ihm ein. Es war nicht höflich. Er mochte mich nicht, aber er haßte auch alle anderen im Tunnel, und so hatte er niemanden mehr, mit dem er reden konnte. Aber entweder das oder ihm mitten ins Gesicht schlagen, und obwohl sich viele meiner Anschauungen über Nacht geändert hatten, glaubte ich immer noch, daß ich einen Mann ohne Beine nicht schlagen durfte.
     
    Und nebenbei, je weniger ich von Zorchi sah, desto mehr Zeit hatte ich, über Rena nachzudenken.
    Sie kam am dritten Tag zu mir zurück, ohne mir ein Wort der

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