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Der Wohlfahrtskonzern

Der Wohlfahrtskonzern

Titel: Der Wohlfahrtskonzern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl - Lester del Rey
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der Diktator Mussolini seine Massenversammlungen abzuhalten pflegte, und kletterten eine gewundene, teuer aussehende Straße zu den Borghese-Gärten hinauf. Rena sah auf ihre Uhr und sagte: »Wir sind früh dran.«
    Wir aßen Gelati in einem Straßencafé und lauschten dem Gekrächze einer schwitzenden Kapelle. Anschließend gingen wir in der Dämmerung eine halbe Stunde unter den murmelnden Bäumen spazieren. Dann sagte Rena: »Es ist jetzt Zeit.« Wir gingen zu dem weit abgelegenen Ende der Gärten, wo sich ein kleiner Hubschrauberplatz für das Villenviertel der A-Kategorieler befand. Dort standen ein Dutzend Maschinen in einer Reihe. Rena führte mich zu der ersten.
    Ich musterte sie flüchtig und hielt mit einem Ruck an.
    »Rena!« flüsterte ich heftig. »Paß auf!« Der Hubschrauber war schwarzviolett lackiert und trug auf seiner Seite das Symbol der Schweizer Garde, der römischen Polizei.
    Sie drückte meine Hand. »Armer Tom«, sagte sie weich. Mutig ging sie auf einen der Polizisten, die sich neben dem Helikopter herumlümmelten, zu und sprach leise mit ihm, zu leise, als daß ich etwas verstehen konnte.
    Erst als uns die großen Flügel über uns schon hundert Meter in die Luft gehoben hatten und wir an Höhe gewinnend südwärts flogen, sagte sie: »Armer Tom. Das sind auch Freunde, verstehst du. Überrascht dich das?«
    Ich schluckte und starrte die zischenden Düsen an den Enden der wirbelnden Rotorblätter an. »Na ja«, sagte ich, »ich bin nicht direkt überrascht, aber ich habe gedacht, daß deine Freunde mehr aussehen wie …«
    »Wie primitive, ungebildete Revoluzzer oder wie Demagogen?« Ich wollte ansetzen, um zu protestieren, aber sie war nicht wütend. Sie sah mich leicht amüsiert an. »Du glaubst immer noch, Tom. Tief in deinem Innern gehst du immer noch davon aus, daß Gegner der Gesellschaft im besten Fall leicht verrückte Eiferer sind wie mein Vater und ich, und im schlimmsten Fall Pöbel.« Sie lachte, als ich ihr antworten wollte. »Nein, Tom«, sagte sie. »Du solltest es im Augenblick nicht bestreiten, falls du aber wirklich recht haben solltest, und falls nicht … wirst du es schon rechtzeitig merken.«
    Ich setzte mich zurück und starrte verstimmt vor mich hin. Ich war noch nie einem Mädchen begegnet, daß einem so den Wind aus den Segeln nehmen konnte.
     
    Da die Gardisten keinen offiziellen Status mehr hatten, als wir erst einmal die Grenze überflogen hatten, waren sie gezwungen, Kurs auf das Binnenland zu nehmen und sich zwischen den Bergen und Pässen hindurchzuschlängeln, um möglichst unentdeckt zu bleiben. Es dauerte etwas mehr als eine Stunde, bis selbst ich die ersten Geländemarken erkennen konnte. Rechts von uns lag die leuchtende Bucht von Neapel, links sah man weit entfernt das schaurige Glühen dessen, was von dem weggebombten Caserta noch übrig war. Und vor uns glomm schwach und fast nicht wahrnehmbar die Rauchwolke, die über dem Vesuv hing.
    Weder Rena noch die Gardisten sagten ein Wort, aber aus ihrem angespannten Verhalten schloß ich, daß wir den gefährlichsten Punkt unserer Reise erreicht hatten. Wir waren in der Höhle des Löwen. Wir wurden von Hunderten von Radarstationen verfolgt, und eine Frequenzanalyse würde unsere Maschine als das enthüllen, was sie war, als römischen Polizeihubschrauber, der in diesem Bezirk nichts zu suchen hatte. Selbst wenn die Gesellschaft uns passieren ließ, so bestand immer noch die Möglichkeit, daß irgendein neapolitanischer Radarfunker, der penibler und stärker an einer Beförderung interessiert war als seine Kollegen, einen Abfangjäger alarmierte und uns zum Landen zwang. Vor einigen Wochen noch wäre so etwas unumgänglich gewesen, Neapel hatte gerade einen Krieg hinter sich, und ein unidentifiziertes Luftfahrzeug wäre einfach aus dem Himmel radiert worden.
    Aber wir wurden ignoriert.
    Und das, dachte ich, war eine weitere Facette des Paradoxons. Denn wann hatte es in der Geschichte vor der Existenz der Gesellschaft jemals eine derartige Selbstgefälligkeit und Gleichgültigkeit, ein so tief verwurzeltes Gefühl der Sicherheit gegeben, daß sich die zerschlissenen Nerven einer Nation, die gerade einen Krieg hinter sich gebracht hatte, praktisch über Nacht wieder beruhigen? Die Gesellschaft mochte die Kriege nicht beseitigt haben, aber die Furcht vor dem Krieg war völlig verschwunden.
    Wir flatterten einmal um den Vulkan und setzten zu einer Landung auf einem sanft gewölbten Erdhügel an, der sich auf

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