Der Wolf
des 16. Jahrhunderts war der Wolf aus England verschwunden, zweihundert Jahre später auch aus Schottland
und Irland, nachdem hier ebenfalls der Wald vernichtet
und die Moore kultiviert worden waren.
Im Jahr 1743 war der letzte Wolf des Inselreiches gefallen. Fünfzig Jahre später schlug ein begeisterter Jäger vor,
man möge den Wolf in England wieder züchten und zur
Jagd freigeben ; erst so, meinte er, könne der wirkliche Jäger
volle weidmännische Befriedigung finden. Die inzwischen
eingeführte Fuchsjagd als Ersatz für die einstmals so aufregende Wolfshatz hoch zu Roß erschien ihm offenbar nicht
mehr abenteuerlich genug. Doch die wütenden Reaktionen seiner bäuerlichen Nachbarschaft erstickten die spätfeudalen Allüren des werten Colonel Thirton of Thornville
Royale im Keim.
Auf dem europäischen Kontinent hielten sich die Wölfe
auch in dichtbesiedelten Gebieten noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Nur in der fast waldlosen Tiefebene entlang der Nordsee verschwanden sie früher. So wurde der
letzte Wolf in Dänemark 1772 erlegt. Allerdings sichtete
man damals auch in Norddeutschland Wölfe immer seltener, und wenn dies geschah, war das allgemeine Aufsehen groß.
Überall sonst aber gab es noch ausreichend große Waldund Bergregionen, in die sich die Wölfe zurückziehen konnten. Es hatte den Anschein, als sei der Krieg gegen sie nicht
zu gewinnen. Doch dann kam die Französische Revolution und als Folge davon vielerorts der Abbau der alten
Jagdprivilegien des Adels. Dies führte bis zur Mitte des
19. Jahrhunderts weithin zu einem drastischen Rückgang
der Bestände von Hirsch, Reh und anderen Beutetieren des
Wolfes. Auch in Skandinavien wurden die früher so zahlreichen Elche bis auf einen kleinen Restbestand hoch oben
im Norden ausgerottet. Gleichzeitig setzte in allen stärker
von Menschen besiedelten Gegenden die Industrialisierung
ein. Man baute neue Verkehrswege für dampfende, laute
Maschinen, die damals nicht nur die Wölfe in Panik versetzten ; allenthalben entstanden Industrieanlagen, und die
Landwirtschaft wurde zunehmend intensiviert.
So verschwanden die Wölfe binnen weniger Jahrzehnte
aus einem großen Teil ihrer früheren Verbreitungsgebiete.
Aber auch in den traditionellen Rückzugsgebieten, in denen
das Klima rauher war, erging es ihnen ohne natürliche Beutetiere schlecht, zumal im Winter, wenn die Haustiere in
den Stall gesperrt wurden. Aus dem Tiefland von Maschinen verdrängt, im Waldgebirge ohne Nahrung – das Ende
der Wölfe war abzusehen. 1809 erlegte man im Bayerischen
Wald den letzten Hirsch, 1847 den letzten Wolf und bald
danach auch den letzten Bären und den letzten Luchs. Gleichzeitig verschwand der Wolf im nördlichen Teil der Alpen.
Dort aber, wo man dank milderem Klima auch im Winter das Vieh auf die Weide trieb, konnte er sich länger halten. Noch im Jahr 1871 wurden im linksrheinischen Bezirk
Koblenz Schußgelder für sechsundzwanzig Wölfe ausgezahlt. In der Eifel starb der letzte Wolf 1888, im Saarland
1891 und im Elsaß sogar erst im Winter 1911. Ihnen zur Ehre
hat man Gedenksteine gesetzt, die an das Ende dieses tausendjährigen Krieges erinnern.
Auch in Skandinavien waren die Wölfe nicht besser dran.
Noch in den Jahren 1827 bis 1839 erlegte man in ganz Schweden jährlich etwa fünfhundert Wölfe. Zwanzig Jahre später war der Wolf aus Südschweden verschwunden und wiederum zwanzig Jahre danach nur noch in den weiten, baumlosen Gebirgen des Nordens vorhanden, wo er Schutz und
in den Rentieren der Saamen noch ausreichend Nahrung
fand. Aber auch hier ging der Kampf gegen die Wölfe weiter. Nicht zu zählen sind die Geschichten von fast übermenschlichen Anstrengungen berühmter Wolfsjäger, die
Tag und Nacht den Wölfen auf dem Fjäll an den Fersen hingen. Als schließlich Mitte des 20. Jahrhunderts das Gebirge
durch neue Straßen, durch Flugzeuge und vor allem durch
den motorisierten Schneescooter zugänglich wurde, waren
auch hier die Tage der Wölfe gezählt.
Zwar traten jetzt, ähnlich wie Jahrhunderte zuvor Gleichgesinnte in England, die wildesten Wolfsjäger unter den Saamen für den Schutz der Wölfe ein. Tatsächlich wurde der
Wolf 1966 unter vollen Schutz gestellt; doch geholfen hat es
ihm nicht. Ende der sechziger Jahre schätzte man den heimischen Wolfsbestand auf gerade noch sechs Tiere. Dann
Wolfsfalle mit lebendem Schaf.
verschwanden auch sie. Da man auch in Norwegen keine
Wölfe mehr sichtete, schien die Ausrottung in
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