Der Wolf
galt, das Land mit allen Kräften nach
den Fünfjahresplänen nutzbar zu machen. Dem standen die
Wölfe im Wege, und deshalb wurden sie intensiv verfolgt.
Dann aber kam der große Rückschlag. Weniger die Unbill
der Natur, sondern wohl eher das System der Planwirtschaft
selbst brachte die Pläne zum Scheitern. Die Verfolgung der
Wölfe ließ nach, und die Bestände nahmen erneut beträchtlich zu. Seit dieser Zeit versucht man nach einem neuen
System, die Populationen zwar nicht völlig zu vernichten,
aber doch, wie gesagt, sehr genau zu kontrollieren. Die
äußerst detaillierten Pläne dieser angestrebten Bestandslenkung müssen allerdings jedem, der mit der zurückgezogenen Lebensweise des Wolfes in auch von Menschen
bewohnten Gebieten nur ein wenig vertraut ist, ziemlich
abwegig vorkommen. So werden nicht nur das Geschlecht,
das genaue Alter und der soziale Status eines jeden zu erlegenden beziehungsweise zu schonenden Tieres im jeweiligen Rudel genau festgelegt, sondern auch für jede Kategorie der zu tötenden Wölfe die Tötungsmethode im voraus
bestimmt. Wieder, so scheint es, werden Pläne am grünen
Tisch ersonnen, die jenseits aller Realisierbarkeit stehen.
Doch das ist eine andere Geschichte.
Auch in Kanada und in Alaska hat man in den letzten Jahren versucht, lokale Wolfspopulationen unerbittlich auszumerzen, um den immer zahlreicheren und auch gut zahlenden Jagdgästen aus Europa, insbesondere aus Deutschland,
möglichst hohe Abschußzahlen bei der Jagd nach Trophäenträgern zu sichern. Wieder geht man, wie in den finstersten Zeiten der Wolfsverfolgung, rücksichtslos gegen die
Tiere vor, nun aber mit besserem technischem Gerät. Vom
Flugzeug und vom Helikopter aus werden Wölfe geschossen und Giftköder abgeworfen. Doch der erhoffte Erfolg
stellt sich fast nirgendwo ein, wohl nicht zuletzt wegen der
massiven Opposition gegen diese Programme aus der einheimischen Bevölkerung.
So scheint es denkbar, daß die heute noch vorhandenen
Wolfspopulationen die nächsten Jahrzehnte überleben werden, was bei der heutigen Schnelllebigkeit schon als halber
Sieg zu bewerten ist. Ob die Wölfe allerdings verlorenen
Boden zurückerobern können, erscheint fraglich. Seit langem plant man eine Wiedereinbürgerung des Wolfes im
Nordwesten der USA, in den Rocky Mountains. Doch der
Widerstand vor allem der Jäger ist ungebrochen. An ähnliche Pläne in Europa ist nicht einmal zu denken, obwohl
es auch hier gut geeignete Gebiete gibt. In dem 2000 Quadratkilometer großen Grenzgebirge zwischen Bayern und
Böhmen etwa leben nach wie vor kaum Menschen, und die
Waldweide ist dort völlig eingestellt worden. Die Anzahl
der Rehe und der Hirsche hier ist inzwischen höher als je
zuvor und eine natürliche Regulation ihrer Bestände wahrlich wünschenswert. Doch neben der unveränderten Aversion der Jäger gegen den Wolf erscheint die Angst vor ihm
in der Bevölkerung, trotz seiner jetzt bald hundertfünfzigjährigen Abwesenheit, mittlerweile eher gestiegen als
gesunken zu sein. Manche Reaktionen auf den Ausbruch
der neun Wölfe im Jahr 1976 erinnerten jedenfalls eher an
mittelalterliche Verhältnisse als an die in einer aufgeklärten Gesellschaft. Ein großer Teil der Bevölkerung stimmte
gegen einen erneuten Versuch, Wölfe in Mitteleuropa wiedereinzubürgern. Zwar wurde der letzte der neun Wölfe
erst zwei Jahre nach dem Ausbruch erschossen, was bestätigt, daß das Gebiet aus ökologischer Sicht für Wölfe geeignet ist. Doch dieser Faktor ist bekanntlich längst nicht
mehr der entscheidende im Leben unserer Wildtiere.
Ahnlich irrational reagieren zur Zeit viele Menschen in
den vom Wolf auf natürliche Weise neu besiedelten Gebieten in den Apenninen, wovon ebenfalls schon die Rede war.
Zu welchen geradezu grotesken Reaktionen Menschen fähig
sind, wenn Wölfe in ihrer Gegend erneut auftreten, möchte
ich zuletzt anhand eines Beispiels aus meiner schwedischen
Heimat aufzeigen. Da es auch nicht einer gewissen Komik
entbehrt, mag es helfen, uns zum Abschluß etwas versöhnlich zu stimmen.
Von dem einsamen Wolf im großen Grenzwald zwischen
Norwegen und Schweden habe ich schon gesprochen. Jahrelang zog er seine Fährte weit südlich des Rentiergebietes
der Saamen, die ihn wohl kaum unbehelligt hätten leben
lassen, wären sie seiner ansichtig geworden. Doch im Wald
schien ein Wolf gleich kein Wolf zu sein, denn man hörte
kaum etwas von dem Einzelgänger. Dann aber passierte
Unerwartetes. Zuerst meldete man in
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