Der Wolf
Skandinavien vollzogen. Ein letzter Wolf hielt sich noch südlich des
Rentiergebietes in den Grenzwäldern zwischen dem norwegischen Hedmark und dem schwedischen Värmland:
anklagendes Symbol für den Monopolanspruch des Menschen.
Ganz anders verlief die Ausrottung des Wolfes in Nordamerika. Hier gibt es nach wie vor zahlreiche geeignete
Rückzugsgebiete, und das Wild wurde nirgends völlig vernichtet. Trotzdem gelang es den europäischen Einwanderern binnen kurzer Zeit überall dort, wo sie das Land in
Besitz nahmen, die Wölfe zu vertreiben. Was ihre Väter
auf dem alten Kontinent in tausend Jahren nicht schafften,
die Wölfe nämlich durch direkte Verfolgung zu vernichten,
gelang ihnen auf Anhieb. Die Gründe hierfür waren sowohl
in ihrem Verhalten als auch in dem der Wölfe zu suchen.
Dem rigorosen Alleinanspruch des weißen Mannes auf das
Land und dessen Ertrag hatten die Wölfe aufgrund fehlender Erfahrung mit dem Menschen als Feind nichts entgegenzusetzen. Es war ein von vornherein ungleicher Kampf,
nicht unähnlich dem der Indianer um ihre Existenz.
Zu Hunderttausenden gingen so die Wölfe in die Fallen der neuen Amerikaner oder schluckten das von diesen in Ködern versteckte Gift. Vermutlich ist nirgendwo
und gegen kein Tier mehr Strychnin in der Landschaft verstreut worden als hier in den letzten hundertfünfzig Jahren. Zuerst verschwanden die Wölfe östlich des Mississippi.
Als dann um die Mitte des 19. Jahrhunderts die geradezu
wahnwitzige Vernichtung der viele Millionen zählenden
Büffel einsetzte, entledigte man sich der Wölfe gleich mit.
Von den neuen Viehzüchtern der Prärie bezahlt, legten die
sogenannten Wolfers ganze Strecken giftgetränkter Kadaver von frisch geschossenen Büffeln oder, als diese seltener wurden, von Gabelantilopen aus. Schon einen Tag später konnten sie dann den steifgefrorenen Opfern in Massen das Fell abziehen.
Auf diese Weise brach die später so legendär gewordene
Lebensgemeinschaft von Büffel, Wolf und Indianer innerhalb weniger Jahre völlig zusammen. Nur einige wenige
Büffel überlebten das Massaker. Wurde das Herz von Crazy
Horse, Häuptling der Oglalla-Sioux, noch am Wounded
Knee in den Black Hills begraben, so avancierte Sitting
Bull, Häuptling der Teton-Sioux, zur Attraktion in Buffalo
Bills Wildwestschau. Von den großen, hellmähnigen Büffelwölfen schließlich blieb keiner am Leben. Diese Unterart des Wolfes ist für immer verloren.
Die Zukunft des Wolfes
Im Rückblick auf den langen und hartnäckigen, letztlich
aber erfolgreichen Vernichtungsfeldzug gegen den Wolf
erscheint es müßig, über die Zukunft des Besiegten zu spekulieren. Der Wolf hat keine, mag man meinen. Seine Zeit
auf Erden ist vorbei, sein spärliches Vorkommen bestenfalls ein Anachronismus aus längst vergangener Epoche.
Der Fortschritt schiebt alles ihm im Wege Stehende erbarmungslos beiseite ; dazu gehört auch der Wolf.
Und trotzdem, es gibt ihn noch. Das allein ist wundersam
genug. Aber auch die Zeiten des schnellen Rückgangs sind
anscheinend vorüber. In riesigen Gebieten Kanadas, Alaskas, Sibiriens und Kasachstans ist der Wolf ohnehin von
Menschen wenig bedroht. Auch im europäischen Teil der
Sowjetunion ist es inzwischen erklärtes Ziel der Behörden,
ihn nicht auszurotten, wenn auch die Bestände weiterhin
unter strenger Kontrolle gehalten werden. Nur in China
strebt man offenbar nach wie vor die totale Vernichtung
des Wolfes an. In manchen Gegenden Chinas wie auch in
anderen Gebieten Asiens sind jedoch die geographischen
Bedingungen für die Wölfe günstig, und auch die sozioökonomischen Lebensbedingungen der dortigen Menschen
entsprechen eher denen unserer im Kampf gegen die Wölfe
erfolglosen Vorfahren als denen bei uns, die wir die Fähigkeit zur Naturvernichtung haben.
Doch sogar in dieser Hinsicht scheint sich ein Wandel
anzubahnen. In den meisten europäischen Ländern mit noch
verbliebenem Wolfsbestand gelten inzwischen zumindest
gewisse gesetzliche Beschränkungen für die Jagd auf den
Wolf, und mehrere Länder, so Schweden, Norwegen, Italien
und Portugal, gewähren ihm sogar völligen Schutz.
In der Tat ist die Anzahl der Wölfe in manchen Gebieten,
in denen sie früher stark vom Aussterben bedroht waren,
wieder angestiegen. Am spektakulärsten geschah dies im
europäischen Teil der UdSSR in den siebziger und den frühen achtziger Jahren. Im Zuge des Wiederaufbaues nach
dem Zweiten Weltkrieg hatte man die Wolfsbestände drastisch verringert. Es
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