Der Wolfsthron: Roman (German Edition)
zwischen ihnen herrschte. Sie grub ihre Finger in seine Haare und dachte: Ich werde ihn nicht aufgeben, ich werde es nicht tun. Ich. Tue. Es. Nicht.
Aber dann löste Han seine Arme von ihrem Körper, brach den Kuss ab und schob sie ein Stück von sich weg. Er blickte auf ihr Gesicht herunter; sein Atem ging flach und schnell, seine Augen waren die glühende Spiegelung seines inneren Kampfes.
Er warf den Kopf zurück, und sein Adamsapfel hüpfte, als er schluckte. Er holte zitternd Luft und sah sie wieder an.
»Fast mein ganzes Leben lang habe ich mir genommen, was ich wollte und wann ich es wollte, ohne an die Zukunft zu denken, da es nicht so ausgesehen hat, als hätte ich eine«, sagte Han. »Weißt du, wie schwer das hier für mich ist? Weißt du das?« Er schüttelte sie ein wenig, als könnte sie etwas dafür.
»Hör zu«, flüsterte sie, legte ihre Handfläche an seine Wange und führte sie dann unter sein Kinn. »Es spielt keine Rolle, wenn wir nicht heiraten können. Wir können trotzdem zusammen sein – wann immer es möglich ist –, auch wenn ich eine politische Heirat mit jemand anderem eingehen muss.«
Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, dachte Raisa. Ich werde wirklich immer mehr wie meine Mutter.
Aber Han Alister schüttelte den Kopf, sein Gesicht eine starre Maske des Bedauerns.
»Aber ich will mit dir zusammen sein!« Raisas Stimme stockte bei den Worten, die sie damals in Marisa Pines nicht hatte aussprechen können. »Ich will dich nicht verlieren. Wieso können wir nicht wenigstens etwas haben, wenn wir schon nicht alles haben können?«
»Weil ich dich nicht mit jemand anderem teilen möchte«, sagte Han. »Ich werde nicht dein geringerer Geliebter sein. Alles oder nichts, Hoheit. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden.«
»Aber ich muss mich mit weniger zufriedengeben«, murmelte Raisa. »Wieso kannst du das nicht auch?«
Er küsste sie erneut, lange und langsam und genüsslich diesmal. Dann erhob er sich mit einer anmutigen Bewegung.
»Du solltest besser ins Bett gehen«, sagte er und reichte ihr eine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Du hast morgen einen großen Tag vor dir.«
Er wartete, bis sie die Treppe erreicht hatte, dann drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Raisa gab das Meditieren endgültig auf und ging zu Bett, aber es dauerte sehr lange, bis sie einschlief.
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
Ein schlechter Handel
D ie Krönung einer Grauwolf-Königin war eine Angelegenheit, die sich über zwei Tage hinweg erstreckte. Den gesamten Morgen nach ihrer Begegnung mit Han im gläsernen Garten war Raisa mit der Begrüßung der Zeugen beschäftigt – hochzeremonielle Treffen mit Vollmachtgebern und Verbündeten.
Vor der Zersplitterung der Sieben Reiche war es üblich gewesen, dass jedes einzelne Reich Repräsentanten schickte, die der Stadt Fellsmarch zur Ehrung der zukünftigen Königin Tribut zollten.
In diesen Tagen war jene Geste nichts weiter als eine Tradition aus längst vergangenen Zeiten, auch wenn alle Anwesenden ein kleines Geschenk für Raisa mitbrachten.
Den ganzen Vormittag über spürte sie nur allzu deutlich Han’s Anwesenheit – er stand gleich seitlich hinter ihrem Thron, seine Miene so unleserlich wie eine zeremonielle Maske. Die Worte, die in der Nacht zuvor zwischen ihnen gefallen waren, hingen schwer im Raum und lenkten sie ab.
Sie musste zugeben, dass sie trotz seiner Worte unheimlich erleichtert war, ihn zu sehen; erleichtert, dass er nicht einfach noch während der Nacht auf und davon war, um sich ein weniger kompliziertes, weniger gefährliches Leben zu suchen.
Raisa trug den Ring, den er ihr zur Krönung geschenkt hatte. Sie war überzeugt davon, dass er es bemerkte, auch wenn er sich nichts anmerken ließ.
Über einen der ausländischen Gäste freute sich Raisa ganz besonders. Es war Lord Dimitri Fenwaeter, der Herrscher der Wasserläufer, denen Raisa auf dem Weg nach Odenford in den Shivering Fens begegnet war.
Damals hatte Dimitri gerade erst den Platz seines Vaters eingenommen, der von Soldaten aus den Fells getötet worden war.
Dimitri war in dem zurückliegenden Jahr größer geworden und fülliger, und er strahlte ein neues Selbstvertrauen aus. Er hatte ihr einen Sumpfumhang aus Leinen mitgebracht, der mit Blättern und Farnen in dezenten Nebelfarben geschmückt war.
Genau genommen war Raisa immer noch Dimitris Lehnsherrin, da die Shivering Fens nach wie vor von den Fells beherrscht wurden.
»Ich hoffe, an
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