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Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Der Wolfsthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Wolfsthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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umschlungen getanzt, dass ich schon glaubte, er würde im Flug auf dir rumklimpern«, sagte Han.
    »Hör endlich mit der Diebessprache auf, ja?«, rief Raisa wütend. »Ich habe kein Interesse daran, wieder mit Micah Bayar zu verkehren.«
    »Wieder?« Han wölbte eine Braue.
    Raisa verschränkte die Arme vor der Brust, reckte das Kinn und antwortete nicht.
    »Wie auch immer, das entspricht nicht ganz dem, was ich gehört habe«, sagte er. Er machte eine Pause, und als sie immer noch nicht antwortete, fügte er hinzu: »Ich kann einfach nicht glauben, dass du dich tatsächlich noch mal von ihm umwerben lässt.«
    »Es ist komplizierter«, entgegnete sie knapp, ganz und gar nicht in der Stimmung, irgendwelche Erklärungen abzugeben. »Ich spiele Theater, und nicht für dich. Abgesehen davon, was ist mit dir und Fiona?«
    Er zog die Augen zusammen. »Fiona? Was soll mit Fiona sein?«
    »Euer Tanz. Ich habe noch nie zwei Menschen so eng umschlungen gesehen – im Stehen, meine ich.«
    »Ich weiß, wie ich Fiona handhaben muss«, erwiderte Han.
    »Das trifft es ziemlich genau«, sagte Raisa süßlich. » Handhaben . Wieso sollte ich glauben, dass du mit Fiona umgehen kannst, während du keinerlei Vertrauen darin hast, dass ich mit Micah umgehen kann? Das ist herablassend, Alister.«
    Han schob seine Manschetten zurück und zählte die Gründe an seinen Fingern ab. »Weil er die Moral eines Sklavenhändlers aus den Flatlands hat. Weil er ein Magier ist und du nicht. Weil er ein Bayar ist. Weil kein Mädchen, auf das er seinen Blick richtet, sicher vor ihm ist.« Er machte eine Pause. »Und weil ich glaube, dass du ihm immer noch Gefühle entgegenbringst und er sie gegen dich benutzen wird.«
    »Du irrst dich«, sagte Raisa ausdruckslos. Und dann standen sie lange Zeit einfach nur da und starrten einander an, bis Raisa seufzte. »Streiten wir uns heute nicht über die Bayars, ja? Bist du wirklich hergekommen, um mit mir über sie zu reden?«
    »Nein«, sagte Han. »Ich wollte dich vor der Krönung noch ein letztes Mal sehen.« Er zögerte einen Moment, dann führte er sie am Arm zu der Bank beim Brunnen im Pavillon – jenem Pavillon, in dem Raisa und Amon in der Nacht gesessen hatten, als er vor mehr als einem Jahr aus Odenford in die Fells zurückgekehrt war.
    Raisa setzte sich, zog die Knie an und schlang ihre Arme darum. Han nahm neben ihr Platz und starrte auf den Brunnen; in diesem Moment schien er nicht zu wissen, was er sagen sollte.
    Immerhin war der kalte, distanzierte Alister – zumindest vorübergehend – verschwunden.
    »Morgen Nacht wird es ein Feuerwerk geben«, begann Raisa, um die Stille zu füllen. »Am Ende des Balls. Von hier aus könnte man es besonders gut sehen.« Sie kaute auf einem Fingernagel, dann ließ sie die Hände rasch sinken. Es war sicher ganz und gar nicht gut, am nächsten Tag mit ruinierten Fingernägeln aufzutauchen.
    Aber vielleicht war ohnehin alles umsonst.
    »Erinnerst du dich an die Nacht, als wir uns in Odenford begegnet sind?«, fragte Han und starrte immer noch vor sich hin. »Damals hat es auch ein Feuerwerk gegeben.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Raisa. »Es kommt mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her.«
    »Ganz so lang ist es nicht her«, sagte Han.
    Eine Brise kam von Hanalea herunter, rüttelte an dem Glas und trug die beißende Kälte des Schnees aus den höher gelegenen Landesteilen mit sich. Raisa zitterte, und Han legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie näher zu sich heran. Seine Wärme beruhigte sie, löste den bedrückenden Knoten der Sorge, der sich in ihrem Innern gebildet hatte.
    »So ein Dach hat was, oder?«, fragte Han. »Es gibt einem das Gefühl, als würde es keine Rolle spielen, was da unten vor sich geht. All das, was sich den eigenen Träumen in den Weg stellt – hier steht man irgendwie drüber. Alles ist möglich.«
    »Alles ist möglich«, wiederholte Raisa. Wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen.
    Was war nur los mit ihr? Sie wollte doch Königin sein. Sie hatte dafür gekämpft, hatte sich in die Fells zurückgeschlagen, um ihr Recht auf den Thron zu verteidigen. War sie nur weinerlich wegen des Todes ihrer Mutter, wegen all der vertanen Chancen, oder war es etwas anderes?
    Stand sie davor, eine Tür zu schließen, die nie wieder geöffnet werden konnte? Ging sie einen Handel ein, den sie schließlich bedauern würde?
    Entscheide dich für die Liebe , hatte Hanalea gesagt. Raisa war sich Han’s Gegenwart nur zu deutlich bewusst.

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