Der Wolfstrank
fassungslos. Ihr Blick glitt von einem zu anderen, und dann schaute sie sich auch die Umgebung an. Sie schien nicht so recht zu wissen, wie sie in den Wald gekommen war. Das bewies auch ihre Frage.
»Wo bin ich hier?«
Diesmal erklärte es ihr Suko. Und sie erfuhr auch zugleich seinen Namen.
»Ja, ja, den Wald kenne ich.«
»Um so besser, Lucy. Weißt du auch, was mit dir passiert ist? Und warum wir hier beisammenstehen?«
Nein, das wusste sie nicht. Zumindest nicht genau. Wir sahen es auch ihrem Gesicht an, auf dem sich eine gewisse Verständnislosigkeit abmalte. »Tut mir Leid, aber....«
»Und du hast auch nichts von einem Werwolf und von einem Wolfstrank gehört?«
Es waren zwei Begriffe in dem Satz vorhanden, die sie zum Nachdenken brachten.
Dabei drehte sie sich auf der Stelle und blickte sich um. Ich war ja froh darüber, dass sie Vertrauen zu uns gefunden hatte, und sie deutete schließlich so etwas wie ein Nicken an.
»Ja«, bestätigte sie, »so etwas Ähnliches habe ich gehört. Ich weiß aber nicht, ob ich es nur geträumt habe oder...«, sie musste einfach lachen. »Das ist alles so anders. Mein Leben stellte sich auf den Kopf. Ich weiß es auch nicht und...«
»Es gibt eine Hütte im Wald«, sagte ich.
»Die kenne ich.«
»Dann weißt du genau, wo sie sich befindet?«
»Ja. Ich war oft hier. Ich kenne auch diesen Platz mit den umgekippten Bäumen.«
Das gefiel mir bisher alles sehr gut. »Und was ist mit deiner Großmutter?«
Das letzte Wort erschreckte sie. »Wie... wie... kommen Sie auf meine Großmutter zu sprechen?«
»Wir suchen sie«, sagte Suko.
Das begriff Lucy noch immer nicht. »Hier im Wald? Nein, das ist unmöglich. Sie ist nie ohne Grund in den Wald gegangen. Manchmal sammelte sie Pilze, aber das nur im Herbst. Bitte, tut mir Leid, aber ich kann euch nicht helfen.«
»Du hast sie nicht gesehen?«
Suko hatte die Frage gestellt und Lucy dabei scharf angeschaut. Auch er wollte erfahren, an was sich das Mädchen noch alles erinnerte. Lucy grübelte nach. Sie gab sich wirklich Mühe, das war ihr anzusehen. »Ja, der ferne Traum...«
»Welcher Traum?«
»Vielleicht war es auch kein Traum. Ich weiß das alles nicht so genau, wenn Sie... ich meine...«
»Was hast du denn erlebt in deinem Traum? Kam deine Großmutter darin vor?«
»Wir waren in der Hütte im Wald. Es gibt sie schon länger. Das weiß ich.«
»Ist dir denn auch bekannt, wer sie gebaut hat?«, hakte Suko nach.
»Ja, Gordon.«
»Sehr gut. Was ist er für ein Mensch?«
»Einer, der nichts mehr mit der Welt zu tun haben will. Er hat sich zurückgezogen. Er lebt als Einsiedler im Wald. Er tut keinem etwas. Er will nur seine Ruhe haben.«
»Auch im Winter?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wie lange kennst du ihn denn?«
Lucy hob ihre schmalen Schultern an. »Ein paar Wochen, bestimmt nicht länger. Ich hatte auch nie Angst vor ihm, deshalb ließ ich mir seine Hütte zeigen.«
»Kannst du ihn beschreiben?«
Lucy wunderte sich über die Frage, das war ihr anzumerken, aber sie sprach es nicht aus. »Er ist ein großer Mann mit halblangen Haaren. Er sieht nicht aus wie jemand, der immer im Wald lebt und alles vergisst. Er ist einfach... ja, er ist toll. Er weiß so viel. Er hat mich über die Pflanzen und Tiere aufgeklärt, und er hat mir auch von den anderen Daseinsformen berichtet. Genau so hat er es genannt. Er redete von Kreaturen, die es schon immer gab, die allerdings von den Menschen nicht ernst genommen wurden, obwohl sie sich vor ihnen fürchteten, wenn die Sprache auf sie kam.« Als sie weitersprach, wurden ihre Augen noch größer. »Gordon hat an sie geglaubt. Er wusste genau Bescheid. Es war ihm klar, dass alle Geschichten und Legenden einen wahren Kern besitzen. Er liebte die Kreaturen, und er war der Meinung, dass sie sehr menschlich sind.«
»Was wollte er denn von ihnen?«
»Nichts. Nur dass die Menschen daran glaubten.«
»Hast du es getan?«
Lucy zuckte die Achseln. »Weiß nicht. Irgendwie habe ich mich nicht getraut. Ich hatte auch Angst vor ihnen. Aber er sagte mir, dass man es nicht zu haben braucht. Wenn man ihnen gegenübersteht, sind sie wunderbar.«
Ich musste innerlich lächeln. Dieser Gordon hatte es verdammt geschickt angestellt. Eine raffinierte Vorbereitung, um an sein Ziel zu gelangen.
»Du kennst den Weg zur Hütte?«, fragte ich.
Lucy nickte. »Ja, jetzt erinnere ich mich wieder daran.«
»Dann wirst du uns führen.«
In ihr wohnte kein Argwohn, als sie fragte: »Wollt
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