Der Wolfstrank
meinen Augen die Flüssigkeit in seine Kehle rinnen. Den Grund dafür kannte ich nicht. Möglicherweise wollte er noch stärker werden, aber das alles würde ich noch erleben.
Er warf das leere Gefäß weg.
Dann schaute er mich an.
Ich hatte die Entfernung zwischen uns bereits verkürzt. In der Tat hatte ich den Eindruck, dass vor mir ein riesiger Gorilla stand, der sich noch mehr aufplusterte.
Ich blieb stehen.
Danach nahm ich die Combat-Haltung ein.
Jetzt konnte er meinen Kugeln nicht mehr entwischen, und ich blieb eiskalt.
Trotzdem erlebte ich die nächste Überraschung, aber die hing mit der Bestie zusammen. Sie schleuderte den Kopf in den Nacken, sie riss ihre Schnauze weit, weit auf, und ein furchtbarer Schrei jagte in den Himmel. Zugleich löste sich etwas aus der Schnauze, das aussah wie eine Fahne, aber Bruchteile von Sekunden später Feuer gefangen hatte. Ich kannte den Grund nicht. Das konnte nicht einfach nur ein Zufall sein, doch als er sich zur Seite drehte, da sah ich in seinem Kopf das kleine Loch, das meine geweihte Silberkugel beim ersten Schuss hinterlassen hatte.
Im Nu stand der Kopf der Kreatur in Flammen. Der Grund war mir unbekannt. Ich konnte nur darüber rätseln. Wahrscheinlich hatten sich die geweihte Silberkugel und die große Menge des Tranks nicht vertragen, und so war es zu dieser Reaktion gekommen.
Jedenfalls brannte die Horror-Gestalt lichterloh. Sie stand vor mir wie auf dem Präsentierteller. Ich löste mich allmählich aus meiner Combat-Haltung, entspannte mich, ließ aber die in Flammen stehende Kreatur nicht aus den Augen.
Der Werwolf brüllte.
Er schrie seine Angst und seine Schmerzen hinaus, während er zugleich seinen Körper hektisch bewegte und ihn dabei immer wieder von einer Seite zur anderen schleuderte, ohne den Flammen entwischen zu können.
Aus dem Brüllen formten sich Wörter. »Morgana! Morgana! Was hast du mir versprochen? Ich habe alles versucht! Warum hilfst du mir denn nicht?«
Sie gab keine Antwort. Auch ich hielt mich zurück, denn seine Niederlage war auch indirekt eine meiner alten »Freundin« Morgana Layton.
Allerdings hatte sie schon wieder versucht, ihre Fäden zu ziehen. Nur hatte sie sich diesmal den Falschen ausgesucht, und sie hatte auch die Wirkung des Tranks überschätzt.
Das Feuer war gierig. Jede einzelne Flamme schien ihn auffressen zu wollen. Ich schaute zu, wie der Körper, innerhalb des Flammenmantels regelrecht zusammenschmolz, um dann als Rest in weichem Boden zu versickern. Das Ende eines Werwolfs. Ich konnte nicht behaupten, unzufrieden zu sein...
***
Manchmal hatte auch Suko Pech. Er war so unglücklich gefallen und mit dem Kopf gegen eine Bodenwurzel gerammt, das er noch benommen auf dem Boden lag, als ich zu ihm gelangte. Aber ich sah, dass er allein zurechtkam, sich noch über sich selbst ärgerte, und so kümmerte ich mich um die Großmutter samt Enkelin.
Auch Marlene wurde gerettet. Oder zurück in einen normalen Menschen »verwandelt«. Dabei half mir das Kreuz. Ich war froh, als sich die beiden Kings in den Armen lagen.
Über Handy rief ich Sir James Powell an. Von ihm erfuhr ich, dass es in diesem Fall zu guter Letzt doch noch einen Wermutstropfen gab. Cedric Morton hatte sein Schicksal nicht mehr verkraftet und in der Zelle Selbstmord begangen. Er hatte sich mit den eigenen Händen selbst erstickt. Als ich das erfuhr, bildete sich eine Gänsehaut auf meinem Körper, aber damit war der Fall auch endgültig abgeschlossen...
ENDE
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