Der Wunsch des Re
dass sie für alles reges Interesse zeigt, obwohl sie stets versucht, dass vor mir zu verbergen.«
»Eine Frau interessiert sich für Pylone und Bauarbeiten?« Ramses klang wenig überzeugt.
»In der Tat ungewöhnlich, nicht wahr?«
»Sehr sogar!« Ramses dachte kurz nach. »Rufe sie herein! Ich habe ein paar Fragen an sie. Wenn nicht du, vielleicht erhalte ich meine Antworten.«
Amunhotep verneigte sich knapp und betätigte den Gong.
Die Tür wurde geöffnet, und Satra huschte herein. Sie wollte sich sofort vor dem Herrn der Beiden Länder auf den Boden werfen, aber Ramses hielt sie zurück.
»Bleibe stehen!« Er setzte sich wieder hinter den Arbeitstisch des Oberpriesters. »Wer bist du?«
Verständnislos sah Satra ihn an. »Die Dienerin des Vorstehers der Osiris-Priesterschaft, Majestät.«
»Das weiß ich. Ich will wissen, wer du wirklich bist!«
Ratlos hob Satra die Schultern. Sie hätte zwar die passende Antwort parat gehabt, doch sie konnte sie Ramses nicht geben. Die göttliche Macht des Osiris verbot es ihr.
»Vergib mir, Majestät. Ich weiß nicht, was ich dir darauf antworten soll.«
»Bist du ein menschliches oder ein göttliches Wesen?«
»Ein menschliches, o großer Pharao.«
»Doch du wurdest mir von einem Gott gesandt?«
»Das kann ich eigentlich nicht behaupten«, erwiderte Satra wahrheitsgemäß und wunderte sich, dass sie das sagen durfte. »Ich kam nach Kemi als freier Mensch und aus freien Stücken. Niemand hat mich geschickt – kein Mensch und auch kein Gott. Dann wurde ich von Senbis Gefolgsmännern gefangen genommen und meiner Freiheit beraubt, später verurteilt und hier in den Tempel gebracht. Erst in Abydos erschien mir Osiris und sagte mir, dass er mich erwählt habe, dir, dem Oberpriester und natürlich Osiris selbst zu dienen, was auch immer damit gemeint sein soll. Und aus diesen Gründen kann ich nicht behaupten, dass ich von einem Gott gesandt worden bin.«
»Dann sage mir, woher du gekommen bist?«
»Von weit her aus dem Norden, aus einem Land fern der dir bekannten Welt.«
»Fern der mir bekannten Welt?« Ramses hob verdutzt die königlichen Brauen und sah Satra verständnislos an. »Was meinst du damit? Ist das eine andere Welt als die, in der wir uns hier befinden?«
»Ja, Majestät, so könnte man das sagen.«
Allmählich verlor Ramses die Geduld. »Rede nicht ständig in Rätseln!«, warnte er die Dienerin. Seine Stimme klang zornig. »Anderenfalls lasse ich es aus dir herausprügeln! Was meinst du damit?«
Verängstigt sank Satra auf die Knie. »Majestät, ich würde dir liebend gern auf all deine Fragen Rede und Antwort stehen. Ich kann es nicht. Die Macht, die von mir Besitz ergriffen hat, erlaubt es mir nicht.«
»Die Macht? – Meinst du die göttliche Macht des Osiris?« Fragend blickte Ramses auf Satra hinab. Da er ihre Reaktion weder als Bestätigung noch als Verneinung zu deuten vermochte, hakte er nach: »Du hast an keinen Gott geglaubt, als du nach Abydos kamst. Dann hast du den Ring deines Gebieters genommen, um Osiris deine Treue zu geloben und ihm zu dienen. Warum hattest du dich mit einem Mal dazu entschlossen?«
»Wegen der grauenhaften Schmerzen in meinem Körper. Sie wurden unerträglich und ...«
»Und was?«
»... und weil der Herr Netnebu meinte, dass mein Gebieter vielleicht wieder gesund werden würde, wenn ich es tue.« Verlegen blickte Satra zu Boden.
»Bereust du, dass du es getan hast?«
»Nein, Majestät. Ich muss allerdings gestehen, dass ich mir etwas vorgemacht habe, als ich dachte, von nun an könnte ich an Osiris oder irgendeinen anderen Gott glauben. Ich habe bisher an kein höheres Wesen geglaubt und kann es noch immer nicht so recht. Zwar muss ich zugeben, dass die Genesung meines Herrn kurz darauf begann, aber vielleicht wäre es auch geschehen, wenn ich mich nicht Osiris gebeugt hätte.« Sie seufzte verzagt. »Mein derzeitiger Glaube an die Existenz von Göttern entspringt einzig und allein einem selbst auferlegten Zwang.«
»Aber warum zweifelst du, Satra? Du hast Osiris gegenübergestanden!« Ramses konnte die Haltung der Dienerin nicht verstehen.
»In der Tat, Majestät. Ich habe etwas erlebt, was ich mir nicht erklären kann. Manchmal frage ich mich, ob ich mir das nicht nur eingebildet habe.«
»Und was ist mit dem Mal, das Osiris dir gab? Du trägst es seit jenem Abend auf deinem Arm.« Unwillig runzelte Ramses die Stirn. »Solange du nicht zu deinem wahren Glauben gefunden hast, wirst du auch keine
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