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Der Wunschtraummann

Der Wunschtraummann

Titel: Der Wunschtraummann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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Hause in Dublin?«, frage ich rasch, um das Gespräch von brasilianischen Supermodels und erfundenen Spirituosen abzulenken.
    »Nein, dieses Jahr habe ich es nicht geschafft«, antwortet er und kratzt sich über die Stoppeln, die an seinem Kinn sprießen. »Ich hab mir ein paar ruhige Tage gegönnt.«
    »Ruhig? In London?« Da ich selbst vom Land komme, würde ich London nie im Leben mit Ruhe in Verbindung bringen.
    »Ich habe sieben Schwestern, elf Nichten und zwei Neffen«, erklärt er. »Stell dir die alle in einem Raum vor. Wie sie alle durcheinanderschreien. Glaub mir, verglichen damit ist es überall ruhig.«
    Er verdreht die Augen, und ich kann mir das Lachen über sein schmerzlich verzogenes Gesicht nicht verkneifen.
    »Und bei dir? Großes Fest im trauten Familienkreis?«
    »Nein«, sage ich kopfschüttelnd. »Meine Eltern sind in Australien und besuchen dort meinen Bruder, der gerade eine Rucksacktour rund um die Welt macht, also sind nur mein Opa und ich übrig.« Mein Vorsatz, keine Privatgespräche mit Fergus zu führen, löst sich zusehends in Luft auf; man kann gar nicht anders, als sich auf seine nette, vertrauliche Art einzulassen.
    »Dann hast du dir also auch ein paar ruhige Tage gegönnt, hm?«
    Ich muss an Opa Connelly denken. Mir fallen viele Worte ein, die man im Zusammenhang mit ihm gebrauchen könnte, aber ruhig gehört eindeutig nicht dazu. »Nicht unbedingt«, meine ich mit einem schiefen Lächeln und muss daran denken, wie ich und ein Dutzend seiner Ü-80-Freunde uns im Altenheim um einen Klapptisch geschart und uns an Fleischpastetchen und einigen Flaschen Blackstock & White-Whisky gütlich getan haben, die ich mitgebracht hatte, während er uns mit seinem schier unerschöpflichen Fundus an schlechten Witzen unterhielt.
    »Mein Opa ist zweiundneunzig und versucht immer noch, mich zu allen möglichen Dummheiten zu verführen«, erklärt er grinsend. »Und ich dachte immer, in dem Alter würde er gemütlich im Schaukelstuhl sitzen und seine Werthers Echte mit uns Enkeln teilen.«
    »Ja, wem sagst du das?«, erwidere ich und muss meiner miserablen Laune zum Trotz lachen. Sein unbekümmerter Humor ist einfach ansteckend.
    »Wo geht denn heute Abend die Post ab?«
    Ich höre auf zu lachen und schaue ihn verständnislos an. »Welche Post?«
    »Du weißt schon, Party, Party … Silvester und so«, hilft er mir auf die Sprünge.
    »Ach so, verstehe, klar.« Das versuche ich schon den ganzen Tag zu verdrängen. Silvester ist nicht unbedingt der schönste Tag des Jahres für Menschen mit Liebeskummer. »Ich gehe mit meiner Mitbewohnerin zu einer Party.«
    »Super«, meint er und nickt begeistert. »Und wo?«
    Ich stocke. Fiona redet seit Wochen von nichts anderem, aber ich habe ihr gar nicht richtig zugehört. Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, wenn ich es ignoriere, würde dieser Kelch irgendwie an mir vorübergehen. Ein bisschen so, wie ich es immer mit meinen Kreditkartenrechnungen mache und mit den fünf Pfund, die ich über Weihnachten zugenommen habe. »Ähm … also, ich weiß nicht so genau, wo …«
    Zum Glück werde ich von Fergus’ laut knackendem Funkgerät unterbrochen, durch das er von der Zentrale einen neuen Auftrag bekommt. »Okay, ich muss dann wohl wieder los«, meint er mit einem entschuldigenden Lächeln. »Viel Spaß heute Abend …«
    »Ja, danke, dir auch«, entgegne ich und schaue zu, wie er seinen Helm aufsetzt und mit den widerspenstigen strubbeligen schwarzen Haaren kämpft, die versuchen, ihrem Gefängnis zu entkommen. »Bis dann.«
    »Bis nächstes Jahr«, ruft er und zwinkert mir verschmitzt zu, dann dreht er sich auf dem Absatz um und marschiert zielstrebig nach draußen.
    Ich schaue der grellen neonbunten Gestalt hinterher, die im Foyer zur Tür hinaus verschwindet, und wende mich dann wieder meinem Rechner und Facebook zu.
    Und plötzlich wird mir eiskalt.
    Seb wurde auf einem Foto markiert. Auf einer Party .
    Mein Magen krampft sich zusammen. Ich starre auf das Bild wie ein Kaninchen auf die Schlange.
    Ach du Schande. Während ich mich auf meinem Sofa verbarrikadiert habe, umgeben von feuchten Papiertaschentüchern und leeren Schokopapierchen, in meiner ausgeleierten alten Jogginghose und ohne Make-up, hat Seb sich köstlich amüsiert.
    Schlagartig befindet sich mein Hirn im freien Fall, und das Kopfkino setzt ein. Wo war er? Was für eine Party war das? War er allein? Hat er jemanden kennengelernt? Was sind da noch für Fotos?
    Eine ganze Weile stiere

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