Der Zaubercode
nicht viel über sie, weil wir in der physischen Dimension leben — die wir als die reale Welt ansehen.« Blaise machte eine Pause, um zu sehen, ob sie bis jetzt Fragen dazu hatte. Er stellte sich vor, wie überwältigend das alles für sie sein musste.
Sie legte ihren Kopf auf die Seite. »Okay. Bitte mach weiter.«
»Vor etwa zweihundertundsiebzig Jahren hat Lenard der Große die ersten verbalen Zaubersprüche entwickelt — eine Möglichkeit für uns, mit der Zauberdimension zu interagieren und die Wirklichkeit der physischen Dimension zu ändern. Es war extrem schwierig, diese Zaubersprüche richtig zu formulieren, da man dafür eine spezielle Geheimsprache benötigte. Sie mussten ganz exakt ausgesprochen und vorbereitet werden, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Erst vor kurzer Zeit wurde eine einfachere magische Sprache und ein leichterer Weg, Zaubersprüche anzuwenden, erfunden.
»Wer hat das erfunden?«, fragte die Frau fasziniert.
»Augusta und ich«, gab Blais zu. »Sie ist meine frühere Verlobte. Wir sind das, was man Zauberer nennt — diejenigen, die eine Begabung für das Studium der Magie aufweisen. Augusta hat ein magisches Objekt erschaffen, welches Deutungsstein heißt, und ich habe eine einfachere magische Sprache gefunden, die dazu passt. Jetzt kann ein Zauberer seine Zaubersprüche in einer leichteren Sprache auf Karten schreiben und sie in den Steine einführen — anstatt einen schwierigen verbalen Spruch aufzusagen.«
Sie blinzelte. »Ich verstehe.«
»Unsere Arbeit sollte die Gesellschaft zum Besseren hin verändern«, fuhr Blaise fort und versuchte dabei, die Bitterkeit aus seiner Stimme zu halten. »Oder das war zumindest das, was ich gehofft hatte. Ich dachte, ein leichterer Weg um Magie anzuwenden, würde es mehr Menschen ermöglichen, Zugang zu ihr zu bekommen, aber so hat es sich nicht entwickelt. Die mächtige Klasse der Zauberer ist noch mächtiger geworden — und noch abgeneigter, ihr Wissen mit der einfachen Bevölkerung zu teilen.«
»Ist das schlimm?«, fragte sie und schaute ihn mit ihren hellblauen Augen an.
»Das kommt darauf an, wen du fragst«, antwortete ihr Blaise und dachte dabei an Augustas gelegentliche Geringschätzung der Landarbeiter. »Ich denke, das ist schrecklich, aber ich gehöre einer Minderheit an. Den meisten Zauberern gefällt es so, wie es ist. Sie sind reich und mächtig und es stört sie nicht, Untertanen zu haben, die in Elend und Armut leben.«
»Aber dich stört es«, sagte sie aufmerksam.
»Das tut es«, bestätigte Blaise. »Und als ich vor einem Jahr den Rat der Zauberer verlassen habe, beschloss ich, etwas dagegen zu unternehmen. Ich wollte ein magisches Objekt erschaffen, welches unsere normale Sprache versteht — ein Objekt, das von jedem benutzt werden kann, verstehst du? Auf diese Art und Weise könnte auch eine normale Person zaubern. Sie würde einfach sagen, was sie bräuchte und das Objekt würde es umsetzen.«
Ihre Augen weiteten sich und Blaise konnte sehen, wie sie anfing, das Ganze zu verstehen. »Willst du mir gerade sagen—?«
»Ja«, antwortete er ihr und blickte sie an. »Ich glaube ich habe dieses Objekt erfolgreich erschaffen. Ich denke, du bist das Ergebnis meiner Arbeit.«
Einige Augenblicke lang saßen sie einfach nur schweigend da.
»Ich muss das Wort Objekt falsch verstehen«, meinte sie schließlich.
»Das tust du wahrscheinlich nicht. Der Stuhl, auf dem du sitzt, ist ein normales Objekt. Wenn du aus dem Fenster schaust, siehst du eine Chaise im Garten. Das ist ein magisches Objekt, es kann fliegen. Objekte leben nicht. Ich habe erwartet, du würdest so etwas wie ein sprechender Spiegel werden, aber du bist etwas völlig anderes!«
Ihre Stirn zog sich leicht in Falten. »Wenn du mich geschaffen hast, bist du dann mein Vater?«
»Nein«, wehrte Blaise sofort ab, da alles in ihm diese Vorstellung zurückwies. »Ich bin auf gar keinen Fall dein Vater.« Aus irgendeinem Grund war es für ihn wichtig sicherzustellen, dass sie nicht so von ihm dachte. Interessant, wohin meine Gedanken schon wieder abschweifen, dachte er selbstironisch.
Sie sah immer noch verwirrt aus, also versuchte Blaise es ihr näher zu erklären. »Ich denke es wäre vielleicht sinnvoller zu sagen, ich habe den Grundstein für eine Intelligenz gelegt — und habe sichergestellt, dass sie einiges an Wissen besitzt, um darauf aufzubauen — aber alles Weitere musst du selber geschaffen haben.«
Er konnte einen Funken Wiedererkennung
Weitere Kostenlose Bücher