Der Zauberer von Schreckenstein
Mauersäges Teil an den Hahn unten im Burgfried heranzukommen. Es gelang. Jean, der Diener, konnte die erforderlichen Schlüssel zur Verfügung stellen. Auch auf dem Haupthahn, der nur zugedreht war, lag ein Zettel mit den zwei Worten: DER ZAUBERER.
„Dummes Zeug!“ maulte Andi.
Bis das Wasser wieder lief, hatte die Arbeitsstunde begonnen. Der Tee fiel aus. Nachdem die Ursache allgemein bekannt war, nahmen sich die Ritter Armin vor. „Na, du Zauberer? Warst du das wieder?“
„Was nützt es, wenn ich ja sage?“ fragte der zurück. „Ihr glaubt mir ja doch nicht!“
Der Ritterrat, der am Abend in der Folterkammer seine Denkspiele fortsetzte, kam, wie nicht anders zu erwarten, zu einem Ergebnis.
„Die Zettel sind in unserer Redaktion vervielfältigt worden! Ich hab an dem hochgerutschten ,E’ unsere Schreibmaschine erkannt!“ erklärte Mücke.
„Die halten uns ganz schön zum Narren!“ schimpfte Dampfwalze.
„Was heißt ,die’ ?“ wollte Klaus wissen.
„Dampfwalze hat völlig recht“, antwortete Mücke. „Für mich sind das mehrere. Einer allein schafft das nicht!“
Was im nachhinein alles festgestellt wird und welche Schlüsse daraus gezogen werden, kümmert den Zauberer nicht. Er zaubert fleißig weiter. Schlag auf Schlag soll es jetzt gehen. Das hat er sich vorgenommen, berauscht von seinen Erfolgen, wie er ist.
Während des Unterrichts wollte der Rex etwas vorlesen. Aber er konnte nicht. Seine Hornbrille war nicht seine Hornbrille. Sie sah ihr nur zum Verwechseln ähnlich, war aber die Brille eines Weitsichtigen, und der Rex ist kurzsichtig. In der Pummelklasse ging es Doktor Waldmann gerade umgekehrt. Er hatte die Brille eines Kurzsichtigen, von der ihm schlecht wurde, wenn er länger durchschaute. Die Verwechslung klärte sich erst nach der Stunde im Lehrerzimmer auf. Wie es dazu gekommen sein konnte, wusste diesmal Stephan. Beide Lehrer hatten ihre Jacken in der großen Pause ausgezogen, als sie sich im Burghof an einem Torwerfen mit dem Handball beteiligten.
Großes Durcheinander, einen wahren Verhau, deckten die Ritter nach dem Abendessen auf. Der kunstsinnige Musterschüler Strehlau wollte eine seiner Kassetten spielen, mit klassischer Musik selbstverständlich Strehlau hörte nur klassische Musik. „Wo ist denn mein Forellenquintett?“ fragte er zuerst im Zimmer, dann im Flügel, dann überall. „Mein Forellenquintett ist weg! Hat jemand mein Forellenquintett gesehen?“
„Das wird im Kappellsee sein“, alberte Klaus.
„Und die Concerti grossi und die Fünfte Bruckners find ich auch nicht!“ klagte Strehlau weiter. „ Statt dessen hab ich lauter schräge Sachen.“
Ein allgemeines Kramen in Kassetten begann. Jeder prüfte, ob ihm etwas fehlte, und das war reichlich der Fall.
„Wem gehört...“ Jeder zweite Satz begann mit diesen zwei Worten, worauf sich meist mehrere meldeten, was bei der leichten Musik nicht verwunderlich, für die Zurückerstattung aber hinderlich war.
Da hatte es Strehlau leichter. Das Forellenquintett fand sich beim kleinen Egon, die Fünfte Bruckners unter Ottokars Werkzeug, die Concerti grossi dagegen erst anderntags auf dem Postbrett vor dem Esssaal. Daran klebte der Zettel mit dem bekannten Aufdruck.
„Insgesamt dreiundsiebzig Vertauschungen!“ stellte Hans-Jürgen fest und notierte sich die Zahl, weil er als Dichter sowieso alles aufschrieb.
Die Vorfälle drückten nicht nur auf die Stimmung, sie lösten auch unerwartetes Fehlverhalten aus. Wer etwas verlegt oder vergessen hatte, dachte sofort an den Zauberer und machte, statt sich zu besinnen und danach zu suchen, bei den andern Wirbel. Doch es sollte noch bunter kommen.
Sonja besuchte wieder ihren Vater. „Man hört bei uns nicht nur die tollsten Gerüchte von einem Zauberer, der die Burg unsicher machen soll“, berichtete sie den Rittern, „dieser Zauberer hat sich auch bei uns bemerkbar gemacht!“
„Jaja, wissen wir!“ Stephan dachte an den Brief von Beatrix und glaubte, sie meine ihn. Doch als Sonja weitersprach, rückte er von dieser Ansicht schnellstens wieder ab.
„Nicht bei den Mädchen hat er gezaubert, sondern bei unserer heißgeliebten Leiterin. Die hat einen Brief bekommen, einen sehr dummen Liebesbrief, alles mit Maschine geschrieben, auch die Unterschrift:
DER ZAUBERER...“
Stephan und Ottokar brachten sie zu ihrem Wagen. Mehr über den Brief und die Begleitumstände erfuhren sie jedoch nicht. Er sei mit der Post gekommen, ganz normal, berichtete Sonja.
Weitere Kostenlose Bücher