Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
1
»Sie legen einfach die Kapsel in die Maschine. Das geht so.« Die Verkäuferin steht vor einer Luxus-Kaffeemaschine und demonstriert die entsprechenden Handgriffe. Ihr rotes Haar ist zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der bei jeder ihrer Bewegungen mitschwingt. »Dann drücken Sie den Knopf mit der Aufschrift ›Cappuccino‹, und das war’s auch schon.«
»Toll«, sage ich, während das blitzblanke Gerät faucht und gurgelt und die Milch zu Schaum schlägt. Eine italienische Kaffeemaschine war eines der Hochzeitsgeschenke, die ich nur widerwillig zurückgegeben habe. Zum Schluss stäubt die Verkäuferin einen Hauch Kakaopulver auf den Milchschaum und reicht mir die Tasse. Ich nippe daran.
»Nun? Wie schmeckt er Ihnen?«, erkundigt sich das Mädchen.
Und in diesem Augenblick sehe ich ihn.
Ich starre in sein Gesicht. Ich wusste, dass wir uns eines Tages über den Weg laufen würden – immerhin wohnen wir beide in Hammersmith –, und doch bin ich noch nicht bereit, ihm entgegenzutreten. Mein Blick streift seine Armbanduhr, die ich ihm vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt habe. Ich erinnere mich noch genau, wie ich sie um sein Handgelenk legte und Ed mich in die Arme nahm und küsste. Jetzt kann er mir nicht einmal in die Augen sehen.
Eine blonde Frau kommt mit einem Blatt Papier in der Hand auf ihn zu.
»Edward, Liebling, haben wir eigentlich die Töpfe von Le Creuset ...« Sie bricht ab. Offenbar spürt sie die angespannteAtmosphäre. »... auf unsere Liste gesetzt?«, fährt sie fort und schaut von mir zu ihm.
»Wir gehen«, ist alles, was er hervorpressen kann. Die hübsche Frau, deren äußerst gepflegtes Erscheinungsbild den Verdacht nahelegt, dass sie den größten Teil des Tages in Schönheitssalons verbringt, wartet darauf, mir vorgestellt zu werden, doch Ed nimmt ihren Arm und führt sie entschlossen aus dem Kaufhaus.
Ich verlasse die Küchenabteilung ohne meine Luxus-Kaffeemaschine, stolpere wie betäubt zur Rolltreppe und klammere mich am Handlauf fest. In meinen Augen stehen Tränen. Unfassbar. Er heiratet. Schon nach sechs Monaten! Wie kann er nur?
Ich höre sie miteinander flüstern.
»Ach was ... Gilly? Himmel, das war Gilly?«
Der betäubende Duft von ihr erfüllt noch immer die Luft.
»Nicht so laut«, raunt Ed ihr zu. »Wir kommen einfach später wieder.«
»Wehe, du lässt mich eines Tages sitzen«, entgegnet sie und schaut sich verstohlen um.
Ich sehe, wie sie das Kaufhaus verlassen. Als die Luft rein ist, trete auch ich durch die Glastüren. Im Türflügel sehe ich mein Spiegelbild. Ein Streifen weißer Milchschaum ziert meine Oberlippe.
2
»Hier ist Dorset FM mit Ihren Lieblings-Sommerhits«, verkündet die sanfte Stimme des Moderators. »Als Nächstes hören Sie den Song eines Sängers, den ich Ihnen sicher nicht mehr vorstellen muss.«
Ich sitze im Auto, fahre aufs Land und singe so laut mit, dass ich Lionel Richie bei Dancing on the Ceiling glatt übertöne. Mein Hund Ruskin lässt vom Rücksitz ein kurzes Protestgebell hören, ehe er die Nase wieder aus dem Fenster steckt. Er liebt es, den Fahrtwind im Gesicht zu spüren.
»Was ist, Rusk?«, frage ich ihn und drehe mich kurz um. »Hast du etwa etwas gegen meinen engelsgleichen Gesang?«
Er bellt noch einmal und bringt damit nur allzu deutlich zum Ausdruck, dass er weder mit meinem Gesang einverstanden ist noch meinen Musikgeschmack teilt. Rusk steht eindeutig mehr auf Bach und Mozart.
Ich lenke den Wagen an den Straßenrand und lasse einen Traktor auf der Gegenfahrbahn vorbeikriechen. Vermutlich war es gut, dass ich letztes Wochenende über Ed gestolpert bin. Ganz sicher sogar.
»Gleich sind wir da, Süßer«, verspreche ich Ruskin. Nachdem der Traktorfahrer sich bei mir bedankt hat, weil ich gewartet habe, und ich mich bei ihm, weil er sich bedankt hat, fahre ich weiter.
Ich werde jetzt nicht weiter über Ed nachgrübeln, ermahne ich mich. Aber er hat gut ausgesehen. Schlank und gebräunt. Ich hatte monatelang auf diese Uhr gespart. Krampfhaft umklammere ich das Lenkrad.
»Sieh mal, Ruskin, ist es nicht schön hier? Grüne Wiesen, weiße Schafe und dieser blaue Himmel! Hier wird es uns sicher gefallen.«
Ich habe beschlossen, dass Ruskin und ich aus London wegziehen und irgendwo auf dem Land ganz neu anfangen. Natürlich werde ich London vermissen, denn trotz allem verbinden mich mit der Stadt viele glückliche Erinnerungen. Zum Beispiel freitagabends mit meinen Freunden tanzen zu gehen. Manchmal
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