Der Zauderberg
personenorientierten und einen aufgabenorientierten. 2 Du bist ein geselliger Mensch und könntest mit deinen sozialen Kompetenzen anfangen.«
»Du meinst, ich soll mich mit meinen Mitarbeitern verbrüdern?«, fragte Tom.
»Nein, das gerade nicht«, entgegnete Tim. »Zuerst musst du Vertrauen schaffen. Du brauchst einen frühen Erfolg, damit deine Leute dir vertrauen und sich sicher sind, dass sie unter deiner Führung Erfolg haben. Du musst realistische Ziele vorgeben, die du anerkennen und feiern kannst. Das ist ein Grundprinzip. Damit gibst du ihnen das Selbstvertrauen, weiterzumachen und höhere Hürden zu nehmen.«
»Ah, wir schaffen eine Erfolgsspirale!«, rief Tom aus.
»Genau!«, antwortete Tim. »Ich hatte mal eine Lehrerin, die hat das genauso gemacht. Sie hat uns zu Schuljahresanfang ein paar einfache Tests gegeben, damit wir mehr Selbstvertrauen bekommen. Später hat sie uns immer schwierigere Aufgaben gestellt. Ich war total verliebt in die Frau. Ich erinnere mich, wie ich einmal nach der Stunde …«
»Du schweifst ab«, unterbrach ihn Tom.
»Wo waren wir stehengeblieben?«, fragte Tim und leerte sein Glas. »Du kannst zum Beispiel die Sache mit den ›Erfolgen anderer‹ nutzen. Du kannst klar und selbstbewusst eine Vision vorgeben, die du erreichen willst. Du kannst Optimismus verbreiten, motivieren und ein Vorbild abgeben. Das findest du in jedem Führungshandbuch.«
»Ich? Vorbild? Was denkst du denn von mir?«, klagte Tom.
»Verantwortung ist eine Bürde … Du kannst natürlich einfach kündigen oder das Geld einstecken und warten, dass sie dich rausschmeißen.«
Tim sah Tom gespannt an.
»Okay, ich mach’s«, sagte Tom. »Ich hab nur laut gedacht.«
An seinem ersten Tag in seiner neuen Position rief Tom seine Mitarbeiter zusammen und erklärte ihnen, was er erreichen wollte. Er sagte, dass sie zwar in verschiedenen Bereichen ihre Stärken hätten, aber dass sie einfach zu viel Zeit benötigten, um ihre Finanzberichte fertigzustellen, und das, obwohl sie massenhaft Überstunden schoben. Also setzte er das erste realistische Ziel: »Ich möchte, dass wir unseren Bericht schneller fertigbekommen und ihn diesen Monat einen Tag früher einreichen«, rief er begeistert. »Ich denke, das können wir schaffen. Nein, ich weiß, dass wir es schaffen.« Natürlich wusste er es – das Ziel war leicht zu erreichen. Trotzdem wiederholte er die Botschaft in den wöchentlichen Besprechungen, weil er wusste, wie ansteckend Begeisterung wirkt. Am Monatsende reichten sie den Bericht tatsächlich früher ein – und zwar genau einen Tag früher.
Das ist ein guter Anfang, dachte Tom. Aber wir sollten eigentlich eine ganze Woche schneller sein. Also rief er Tim an, um ihm von seinem Erfolg zu erzählen und ihm seine Lage zu schildern.
»Glückwunsch!«, gratulierte Tim. »Es ist eine Sache, dass du mich um Rat fragst, aber dass du dich tatsächlich daran hältst, finde ich sehr beeindruckend.«
»Na ja, es war ja auch ein guter Rat«, meinte Tom. »Aber genug gefreut. Ich bin nicht sicher, ob mein Team weiter mitzieht, obwohl ich das Gefühl habe, dass noch sehr viel mehr drin ist. Was hast du denn sonst noch so auf Lager?«
Tim dachte eine Weile nach. »Lass uns mal über die Variable Wert nachdenken. Was kannst du ihnen geben, das für sie einen Wert hat? Wie kannst du sie belohnen?«
»Meinst du Geld?«, fragte Tom.
»Hast du welches?«
»Nein«, gab Tom zu. »Nur wenn ich an mein eigenes Konto gehe.«
»Dann erwähn es lieber erst gar nicht«, riet Tim. »Aber keine Sorge. Geld ist nicht das einzige Mittel. Es gibt was, das den meisten Menschen wichtiger ist als Geld, und das ist Anerkennung. Du musst nur bemerken, wenn jemand etwas gut macht, und es rechtzeitig anerkennen – nicht erst Wochen oder Monate später, sondern noch am selben Tag. Die Leute sind stolz, wenn sie ein ehrliches ›klasse‹ oder ›gut gemacht‹ hören. Das wirkt mehr als ein Bonus am Jahresende.«
»Guter Hinweis, Tim.«
»Danke«, sagte Tim erfreut und bemerkte gar nicht, dass Tom postwendend die Strategie umgesetzt hatte, die er ihm eben empfohlen hatte.
»Das gefällt mir«, meinte Tom. »Wenn ich auf die Weise ein bisschen aus meinem Büro rauskomme, umso besser. Mir sind Einzelgespräche sowieso lieber als die wöchentlichen Meetings.«
»Du hast Glück. Viele Führungskräfte werden nur befördert, weil sie die technischen Qualifikationen haben, aber der menschliche Aspekt bereitet ihnen Probleme.
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