Der Zauderberg
seinem Bürostuhl flegeln sehen und ihn fragen, was er da macht, dann antwortet er vielleicht: »Ich betreibe Arbeitsvermeidung!« Aber das muss nicht unbedingt stimmen. Vielleicht lässt er die Arbeit an einem Bericht liegen, weil sein Projekt wahrscheinlich im Laufe der Woche gekippt wird; und wenn nicht, na ja, dann hat er immer noch Zeit, seinen Bericht auf den letzten Drücker fertigzustellen. Das ist klug. In dieser Situation wäre es unvernünftig, den Bericht so schnell wie möglich zu schreiben, nur um ihn ein paar Tage später in den Papierkorb zu werfen. Der Besessene, der jede Arbeit sofort anpackt, kann genauso unvernünftig handeln wie der chronische Aufschieber, der alles kurz vor knapp erledigt. Keiner von beiden teilt sich seine Zeit klug ein.
Sie sind also kein Aufschieber, wenn Sie weder als Erster auf einer Party erscheinen noch drei Stunden vor dem Abflug am Flughafen sind. Wenn Sie ein bisschen später kommen, ersparen Sie sich peinliche Momente mit Ihren Gastgebern, die vielleicht letzte Vorbereitungen treffen, oder langweilige Stunden am Flughafen. Es hat auch nichts mit Aufschieben zu tun, wenn Sie eine Aufgabe liegen lassen, um auf einen Notfall zu reagieren. Es wäre vermutlich nicht sonderlich intelligent, den Rasen fertig zu mähen, während gleichzeitig Ihr Haus abbrennt. Sie können sich zwar nachher nicht vorwerfen, dass Sie sich vor der lästigen Gartenarbeit gedrückt haben, aber die verkohlte Ruine Ihres Hauses wäre ein hoher Preis. Wenn Sie beispielsweise flexibel auf die Bedürfnisse Ihrer Kinder oder Ihres Partners reagieren, dann kann das Ihrer Familie sehr nutzen. Sie können nicht alles gleichzeitig erledigen. Ob wir von Aufschieben sprechen oder nicht, hat also nicht mit der zeitlichen Verzögerung an sich zu tun, sondern mit Ihrer Entscheidung, was Sie in diesem Moment erledigen und was Sie vertagen.
Sind Sie ein Aufschieber?
Nachdem wir also geklärt haben, was Aufschieben bedeutet, stellt sich die Frage, ob und wie ausgiebig Sie es praktizieren. Sind Sie ein Gelegenheitsbummler, oder steht Ihnen das Wort »morgen« auf die Stirn tätowiert? Es gibt einige recht unterhaltsame Möglichkeiten, Ihre persönliche Aufschiebeneigung zu ermitteln. Sie könnten sich zum Beispiel Ihre Handschrift ansehen: Eine schleppende und zerrissene Schrift gilt als Hinweis auf eine entsprechende Persönlichkeit. Oder Sie können die Sterne befragen: Astrologen behaupten, Merkur in Opposition zum Jupiter deute auf einen zögerlichen Charakter hin. 1 Sie können sich natürlich auch Tarotkarten legen lassen: Die Zwei der Schwerter legt nah, dass Sie unentschlossen und häufig in Widersprüchen gefangen sind. Ich persönlich bevorzuge eine wissenschaftliche Methode.
Auf meiner Website www.procrastinus.com finden Sie einen umfassenden Test, an dem inzwischen Zehntausende teilgenommen haben. Mithilfe dieses Tests können Sie Ihre Aufschieberitis mit Menschen in aller Welt vergleichen. Wenn Sie keine Zeit haben und die Antwort nicht aufschieben wollen, dann können Sie den folgenden, vereinfachten Fragebogen ausfüllen. Beachten Sie, dass bei den Fragen 2, 5 und 8 die Punkte in umgekehrter Reihenfolge vergeben werden.
Trifft nicht / selten / gelegentlich / oft / immer zu
1 Ich schiebe Arbeiten über das vernünftige Maß hinaus auf.
1 2 3 4 5 ______
2 Ich erledige alles zu dem Zeitpunkt, zu dem es meiner Ansicht nach erledigt werden muss.
5 4 3 2 1 ______
3 Ich bereue es oft, eine Aufgabe nicht früher erledigt zu haben.
1 2 3 4 5 ______
4 Bestimmte Fragen meines Lebens schiebe ich auf, obwohl ich weiß, dass ich mir damit selbst schade.
1 2 3 4 5 ______
5 Wenn ich eine wichtige Aufgabe zu erledigen habe, dann lasse ich unwichtigere Dinge zunächst liegen.
5 4 3 2 1 ______
6 Bestimmte Aufgaben schiebe ich so lange auf, dass mein Wohlbefinden oder meine Effizienz unnötig darunter leiden.
1 2 3 4 5 ______
7 Ich habe abends oft das Gefühl, ich hätte meinen Tag besser nutzen
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