Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zehnte Planet

Der zehnte Planet

Titel: Der zehnte Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Beljajew
Vom Netzwerk:
sind.«
    »Das kann schon sein«, gab der Gelehrte zu. Dann setzte er in überzeugendem Ton hinzu: »Ausgezeichnet . . . So muß es wohl sein . . .«
    »Was muß so sein?« fragte Jura vorsichtig.
    Er wußte, daß eine unpassende Frage den Gelehrten oft erzürnen konnte. Aber zu seiner Freude sagte der Gelehrte erklärend:
    »Wir haben uns sämtliche Filme auf dem Dreieck angesehen. Offensichtlich bewegten sich Ihr Weg und dieser hier vom Dreieck fort. Warum? Wieso? Das ist klar: sie befördern das Publikum nach der Vorstellung.«
    »Was für Publikum?« begriff Jura nicht.
    »Im gegebenen Falle uns. Aber der Dreieckplatz kann drei- bis vierhundert Zuschauer fassen. Die beweglichen Fußwege stehen ihnen zur Verfügung. Davon gibt es drei. Wohin sie führen? Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie sind hier drei Möglichkeiten gegeben: entweder zur Erholung, na, sagen wir: ins Restaurant, oder zum Ausgang oder weiter . . .«
    »Was für einen Ausgang?« fragte Jura achselzuckend, »oder was für ein ‚weiter‘?«
    Die Augen des Gelehrten blickten mit gütiger Nachsicht.
    »Entschuldigen Sie bitte, aber trotz dem Vorrat an Kenntnissen mangelt es Ihnen an Auffassungsfähigkeit. Zum Ausgang aus . . .« Der Gelehrte beendete den Satz nicht und wollte Juras Hand fassen, aber es gelang ihm nicht. »Umsteigen!« rief er. »Springen Sie herüber, Jurissimus . . .«
    Der Fußweg endete, aber gleichzeitig begannen hier im spitzen Winkel zwei neue Wege. Der Gelehrte betrat den linken, Jura geriet auf den rechten. Sie fuhren auseinander nach verschiedenen Seiten.
    Jura hatte nur noch Zeit, zu rufen:
    »Wohin fahre ich?« und entschwand den Augen des Gelehrten hinter dem üppigen, breitblättrigen Gebüsch.
    Der Gelehrte winkte mit der Hand:
    »Auf baldiges Wiedersehn!«
    Er war ruhig und lächelte sogar.
XVII
    Wenn der Gelehrte Solnzew einmal später einen ausführlichen Vortrag über seine Reise nach dem zehnten Planeten halten sollte, dann würde er über die Minuten, in denen er zum zweitenmal von Jura getrennt wurde, nichts Wesentliches berichten können. Er hatte nur bemerkt, daß sich der waagerechte Rollweg nicht streng nach der geometrischen Geraden bewegte. Im Gegenteil, der Weg verlief in wunderlichem Zickzack, das aber ziemlich sanft war. Die einzelnen Gruppen von Anpflanzungen sahen sehr schmuck aus, und es war nur bedauerlich, daß sie so schnell vorbeiflogen. Der Fußweg brachte den Gelehrten über eine Brücke. Er sah mit Vergnügen, wie das blau schimmernde Wasser gegen die mit Moos bewachsenen Steine spülte.
    »Wasser . . ., echtes Wasser«, murmelte der Gelehrte.
    Aber diese Entdeckung machte keinen besondern Eindruck auf ihn. Er litt nicht unter Durst und schrieb diese Tatsache der Wirkung der erfrischenden Hybriden-Apfelsine zu.
    Er wollte alles, was zu sehen war, so schnell wie möglich erfassen.
    Der Fußweg lief einen kleinen Berg abwärts,bog um einen mit Blümchen umpflanzten Springbrunnen, stieg dann wieder höher und eröffnete plötzlich den bezaubernden Durchblick auf ein wunderliches, in der Sonne glänzendes Gebäude.
    Unwillkürlich weidete sich der Gelehrte am Anblick dieses Kunstwerkes der Architektur. Das Merkwürdigste war, daß sich unter dem ersten nochmals ein gleiches Gebäude befand, mit seinen gemusterten Türmchen, goldenen Spitzen und der feinen harmonischen Kolonnade — nur alles auf den Kopf gestellt . . .
    Er war in diese Betrachtung so vertieft, daß er beinahe gefallen wäre, aber es schien ihm, daß ihn jemand stützte und dadurch vor dem Fall rettete. Es war klar, daß der Fußweg hier endete und ihn infolge des Beharrungsvermögens auf den festen Boden hinausgeschleudert hatte. Der Gelehrte machte einige Schritte und blieb stehen, von einer ungewöhnlichen Begeisterung erfüllt.
    Er wollte an nichts denken; weder an die fürchterlichen, wahnsinnigen Affen noch an die Gefahren, die bei jedem Schritt auf ihn lauern konnten. Er gab sich ganz dem seligen Augenblick der Betrachtung hin. Ein ähnliches Gefühl bewegte ihn, wenn er, allein mit seinen Gedanken, im Observatorium die Himmelskörperbetrachtete und an das unendliche, mannigfaltige, lebendige Weltall dachte. Auch die Tatsache, daß die glatte Fläche, in der sich das majestätische Gebäude spiegelte, nur die ruhige Oberfläche eines großen Teiches war, der in einem Marmoroval von einem niedrigen Gitter eingeschlossen wurde, konnte seine Begeisterung nicht beeinträchtigen. Die Bäume ringsherum erinnerten an die seit

Weitere Kostenlose Bücher