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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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gläserne Uhr. Das große gläserne Haus, und hier, wo sie nicht sein sollte, die gläserne Uhr. Sie war kaum da, nur eine Form von schimmernden Linien in der Luft. Als wäre es möglich, Licht auf einer reflektierenden Substanz funkeln zu lassen, ohne dass die Substanz selbst existierte.
    Hier war alles transparent: zierliche Stühle, Tisch und Blumenvasen. Und dann begriff er, dass es sich nicht in dem Sinne um Glas handelte. Das Wort »Kristall«
    eignete sich besser zur Beschreibung – oder dünnes, makelloses Eis, von plötzlichem Frost geschaffen. Von allen Dingen waren nur die Kanten sichtbar.
    Durch ferne Wände sah er Treppen. Oben, unten und auf allen Seiten erstreckten sich endlos gläserne Zimmer.
    Trotz der Fremdartigkeit wirkte alles vertraut. Und es fühlte sich wie ein Zuhause an.
    Geräusche klangen durch die gläsernen Räume; klare, scharfe Töne, wie von einem feuchten Finger am Rand eines Weinglases. Und es gab auch Bewegung – Dunst in der Luft hinter den transparenten Wänden, Nebelschwaden, die ihre Form veränderten und… ihn beobachteten…
    »Wie kann es von dort kommen?«, fragte Lu-Tze. »Und was meinst du
    mit seltsam?«
    Lobsang blinzelte. Dies war der seltsame Ort, dieses Tal, in dem es 118

    keine Veränderungen gab.
    Und dann löste sich das Gefühl auf.
    »Es war einfach nur seltsam, für einen Moment«, murmelte Lobsang.
    Er spürte etwas an der Wange, hob die Hand und berührte Feuchtigkeit.
    »Ich war immer der Meinung, dass es an der ranzigen Yak-Butter liegt, die sie in den Tee geben«, sagte Lu-Tze. »Frau Kosmopilit hat nie…
    Nun, das ist ungewöhnlich«, fügte er hinzu und hob den Kopf.
    »Was? Was?«, fragte Lobsang. Verwirrt sah er auf seine feuchten
    Fingerspitzen, blickte dann zum wolkenlosen Himmel hinauf.
    »Ein Zauderer, der sich zu schnell dreht.« Lu-Tze verlagerte das
    Gewicht von einem Bein auf das andere. »Fühlst du es nicht?«
    »Ich höre nichts«, erwiderte Lobsang.
    »Du sollst es nicht hören, sondern fühlen. Durch die Sohlen deiner Sandalen? Oh, ein weiterer gerät außer Kontrolle… und noch einer…
    Kannst du es wirklich nicht fühlen? Das ist… die alte Nummer
    Sechsundsechzig. Sie haben das Ding nie richtig ausbalanciert. Bestimmt dauert es nicht mehr lange, bis wir’s hören… Meine Güte. Sieh dir die Blumen an. Sieh dir nur die Blumen an!«
    Lobsang drehte sich um.
    Die Blüten des Eiskrauts öffneten sich. Und die Blüten der Gänsedistel schlossen sich.
    »Ein Zeit-Leck«, sagte Lu-Tze. »Hör nur! Ja, jetzt kann man es auch
    hören. Zeit wird ziellos freigesetzt! Komm!«

    Nach der Zweiten Schriftrolle des ewig überraschten Wen sägte der ewig überraschte Wen den ersten Zauderer aus dem Stamm des
    Wammwamm- Baums, schnitzte gewisse Symbole hinein, stattete ihn mit einer bronzenen Spindel aus und rief seinen Schüler Tolpatsch.
    »Ah. Sehr hübsch, Meister«, sagte Tolpatsch. »Eine Gebetsmühle,
    nicht wahr?«
    »Nein, dieser Gegenstand ist nicht annähernd so komplex«, erwiderte
    Wen. »Er dient nur dazu, die Zeit aufzubewahren und zu bewegen.«
    »Und das ist ganz einfach?«
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    »Jetzt werde ich ihn testen«, sagte Wen. Mit der einen Hand drehte
    er den Zauderer halb herum.
    »Ah. Sehr hübsch, Meister«, sagte Tolpatsch. »Eine Gebetsmühle,
    nicht wahr?«
    »Nein, dieser Gegenstand ist nicht annähernd so komplex«, erwiderte
    Wen. »Er dient nur dazu, die Zeit aufzubewahren und zu bewegen.«
    »Und das ist ganz einfach?«
    »Jetzt werde ich ihn testen«, sagte Wen. Diesmal drehte er den
    Zauderer nicht ganz so weit.
    »Und das ist ganz einfach?«
    »Jetzt werde ich ihn testen«, sagte Wen. Er drehte den Zauderer
    vorsichtig hin und her.
    »Und das ist ganz ei-ei-ei einfach, w-w-w wie einfach?«, sagte
    Tolpatsch.
    »Und ich habe ihn getestet«, verkündete Wen.
    »Hat er funktioniert, Meister?«
    »Ja, ich denke schon.« Wen erhob sich. »Gib mir das Seil, mit dem
    du das Feuerholz trägst. Und… ja, und einen Stein von den Kirschen,
    die du gestern gepflückt hast.«
    Er wickelte das fransige Seil um den Zylinder und warf den
    Kirschstein auf eine feuchte Stelle des Bodens. Tolpatsch sprang zur Seite.
    »Siehst du die Berge?«, fragte Wen und zog an dem Seil. Der
    Zylinder bewegte sich, war gut ausbalanciert und summte leise.
    »O ja, Meister«, erwiderte Tolpatsch. Hier oben gab es praktisch
    nichts anderes als Berge. Sie waren so zahlreich, dass man sie manchmal nicht sehen konnte, weil sie sich gegenseitig im

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