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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Tom und Sue nicht mehr lachten. Mein Herz schlug so heftig, daß es mir schwerfiel, den beiläufigen
    Gesprächston zu finden, den wir eingeübt hatten. Ich sagte, »Heute hab ich was im Garten gesehen, das hat mich richtig erschreckt.«
    »So«, sagte Julie. »Was denn?«
    »Eine Blume.«
    Niemand schien uns zu hören. Tom führte Selbstgespräche, Mutter goß etwas Milch in ihre Tasse, und Vater bestrich weiter das Stück Brot vor ihm mit Butter. Sobald die Butter sich über die Rinde hinausverirrte, faltete er sie mit einer schnellen, gleitenden Messerbewegung wieder zurück. Ich überlegte, ob wir es noch einmal lauter sagen sollten, und schaute zu Julie hinüber. Sie wich meinem Blick aus. Vater aß sein Brot auf und ging aus dem Zimmer. Mutter sagte, »Das war ausgesprochen überflüssig.«
    »Was denn?« Aber mit mir sprach sie nicht mehr. Über Vater wurden keine Witze gerissen, denn sie waren nicht komisch. Er war beleidigt. Ich hatte Schuldgefühle, und wollte doch verzweifelt in Hochstimmung sein. Ich versuchte Julie von unserem Sieg zu überzeugen, damit sie dann ihrerseits mich überzeugte. Wir ließen Sue am Abend heraufkommen und zwischen uns liegen, aber das Spiel machte uns keinen Spaß. Sue war gelangweilt und verzog sich. Julie war dafür, daß wir uns entschuldigten, es irgendwie wieder ausbügelten. Dazu konnte ich mich nicht durchringen, aber als er zwei Tage darauf wieder zum erstenmal mit mir redete, war ich sehr erleichtert. Danach wurde der Garten lange nicht mehr erwähnt, und wenn Vater seine Pläne auf dem Küchentisch ausbreitete, betrachtete er sie alleine. Nach seinem ersten Herzanfall hörte er mit der Gartenarbeit ganz auf. Unkraut trieb aus den Sprüngen in den Steinplatten, ein Teil des Steingartens stürzte ein, und der kleine Teich trocknete aus. Der tanzende Pan fiel um und zerbrach in zwei Stücke, aber es wurde nicht darüber gesprochen. Die Möglichkeit, Julie und ich könnten für diesen Vorfall verantwortlich sein, erfüllte mich mit Schauder und Entzücken.
    Kurz nach dem Zement kam der Sand. Ein hellgelber Haufen füllte die eine Ecke des Vorgartens aus. Es stellte sich heraus, wohl über meine Mutter, daß geplant war, das Haus, vorne wie hinten, mit einer gleichmäßigen Zementdecke zu umgeben. Eines Abends bestätigte mein Vater das.
    »Es sieht dann ordentlicher aus«, sagte er. »Ich kann den Garten jetzt nicht mehr pflegen« (er klopfte sich mit der Pfeife links auf die Brust), »und eure Mutter hat dann nicht mehr den Dreck auf ihren sauberen Böden.« Er war von der Vernünftigkeit seiner Idee so überzeugt, daß keiner gegen den Plan etwas sagte, weniger aus Angst, sondern weil es so peinlich war. Ich fand an einer großen Zementfläche um das Haus sogar Gefallen. Man konnte Fußball darauf spielen. Ich sah darauf Hubschrauber landen. Aber überhaupt Zement zu mischen und über einen eingeebneten Garten auszubreiten, war eine faszinierende Schandtat. Meine Aufregung wuchs noch, als Vater davon sprach, einen Betonmischer auszuleihen.
    Den muß ihm meine Mutter ausgeredet haben, denn eines Samstagmorgens im Juni gingen wir mit zwei Schaufeln an die Arbeit. Im Keller schlitzten wir einen der Papiersäcke auf und füllten einen Zinkeimer mit dem blaßgrauen Pulver. Dann ging mein Vater hinaus, um mir den Eimer abzunehmen, den ich ihm durch die Kohlenluke hinaufreichte. Als er sich vornüber beugte, war er ein Schattenriß vor dem weißen, ausdruckslosen Himmel dahinter. Er schüttete das Pulver auf den Pfad und gab mir den Eimer zum Nachfüllen zurück. Als wir genug davon hatten, holte ich einen Schubkarren voll Sand aus dem Vorgarten und schüttete ihn zum Haufen dazu. Vater wollte um die eine Hausseite einen festen Weg anlegen, damit man den Sand leichter zum hinteren Garten bringen konnte. Außer seinen spärlichen, knappen Anweisungen sprachen wir nichts.
    Es gefiel mir, daß wir beide so genau wußten, was zu tun war und was der andere gerade dachte, daß wir nicht zu reden brauchten. Endlich einmal fühlte ich mich wohl mit ihm zusammen. Während ich mit dem Eimer Wasser holte, machte er aus Zement und Sand einen Hügel mit einer Mulde in der Mitte. Ich übernahm das Mischen, und er goß das Wasser zu. Er zeigte mir, wie ich die Hebelwirkung verbessern konnte, wenn ich mich mit dem Unterarm innen am Knie abstützte. Ich tat so, als hätte ich das schon gewußt. Als die Mischung gleichmäßig war, verteilten wir sie auf dem Boden. Dann kniete sich mein Vater

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