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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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nieder. Wir starrten einander an, und bald sagte er in seiner normalen Stimme, »Warum hast du nichts an?«
    Ich sagte, »Weil ich schwitze.« Er nickte.
    »Ich schwitze auch.« Er legte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, mehr wie ein Sonnenbadender als wie ein Kleinkind.

»Hast du darum geweint? Weil du geschwitzt hast?« Er dachte einen Augenblick nach und nickte dann. Ich sagte, »Vom Weinen schwitzt man noch mehr.«
    »Ich wollte, daß Julie heraufkommt. Sie hat gesagt, daß sie zu mir heraufkommt.«
    »Warum wolltest du, daß sie heraufkommt?«
    »Weil ich es wollte.« »Aber warum?« Tom schnalzte vor Überdruß mit der Zunge.
    »Weil ich sie wollte.«
    Ich verschränkte die Arme. Ich war in der Stimmung für ein Verhör.
    »Kannst du dich an Mammi erinnern?« Er öffnete ein wenig den Mund und nickte. »Und sie willst du nicht?«
    »Sie ist tot«, sagte Tom empört. Ich machte es mir im Gitterbett bequem. Tom rutschte und machte mir Platz für die Beine. Ich sagte, »Auch wenn sie tot ist, wünschst du dir nicht, daß sie zu dir heraufkäme statt Julie?«
    »Ich bin in ihrem Zimmer gewesen«, prahlte Tom. »Ich weiß, wo Julie den Schlüssel hat.« Ihr versperrtes Schlafzimmer kam mir kaum je in den Sinn. Wenn ich an Mutter dachte, dachte ich an den Keller. Ich sagte, »Was machst du dort?«
    »Nichts.«
    »Was ist drin?« Toms Stimme wurde etwas weinerlich.
    »Julie hat alles weggeräumt. Alle Sachen von Mammi.«
    »Was wolltest du mit Mammis Sachen?« Tom starrte mich an, als hätte meine Frage keinen Sinn gehabt. »Hast du mit ihren Sachen gespielt?« fragte ich. Tom nickte und preßte auf Julies Art die Lippen zusammen.
    »Wir haben uns verkleidet und so.«
    »Du und Julie?«
    Tom kicherte. »Ich und Michael, Dummkopf!« Michael war Toms Freund aus den Hochhäusern.
    »Ihr habt euch mit Mammis Sachen verkleidet?«
    »Manchmal waren wir Mammi und Vati und manchmal waren wir Julie und du und manchmal waren wir Julie und Derek.«
    »Was habt ihr gemacht, wenn ihr ich und Julie wart?« Wieder ergab meine Frage für Tom keinen Sinn. »Ich meine, was habt ihr gemacht?«
    »Nur gespielt«, sagte Tom unbestimmt.
    Wegen der Beleuchtung auf seinem Gesicht, und weil er Geheimnisse hatte, wirkte Tom wie ein winziger alter Weiser, der mir zu Füßen lag. Ich fragte mich, ob er an den Himmel glaubte. Ich sagte, »Weißt du, wo Mammi jetzt ist?« Tom starrte zur Zimmerdecke und sagte, »Im Keller.«
    »Wie meinst du das?« flüsterte ich.
    »Im Keller. In der Kiste da unter dem ganzen Zeug.«
    »Wer hat dir das gesagt?«
    »Derek hat’s mir gesagt. Er hat gesagt, du hättest sie da hineingetan.« Tom drehte sich zur Seite und tat den Daumen nicht in, sondern neben den Mund. Ich rüttelte ihn am Knöchel.
    »Wann hat er dir das gesagt?« Tom schüttelte den Kopf. Er wußte nie, ob etwas gestern oder letzte Woche passiert war. »Was hat Derek sonst noch gesagt?« Tom setzte sich auf und grinste.
    »Er sagt, du tätest dauernd so, als wär’s ein Hund.« Er lachte. »Ein Hund!«
    Tom deckte sich mit einem Zipfel des Bettuchs zu und wälzte sich wieder auf die Seite. Er steckte sich die Daumenspitze zwischen die Lippen, aber seine Augen blieben offen. Ich legte mir ein Kissen hinter dem Rücken zurecht. Es gefiel mir hier in Toms Bett. Was ich alles gerade gehört hatte, war mir gleich. Ich wollte am liebsten die Bettseite hochklappen und die ganze Nacht sitzenbleiben. Als ich zuletzt hier geschlafen hatte, war alles geordnet und für alles gesorgt gewesen. Als ich vier war, glaubte ich, meine Mutter dächte sich die Träume aus, die ich nachts hatte. Wenn sie, wie sie es manchmal tat, mich am Morgen fragte, was ich geträumt hätte, war es, weil sie wissen wollte, ob ich die Wahrheit sagte. Ich gab das Gitterbett schon lange vorher an Sue weiter, als ich zwei war, aber darinzuliegen, war mir jetzt vertraut - sein salziger, kaltfeuchter Geruch, die Anordnung der Stäbe, ein mich umhüllendes Vergnügen zärtlichen Gefangenseins. Es verging lange Zeit. Toms Augen öffneten sich kurz und schlössen sich wieder. Er sog sich den Daumen tiefer in den Mund. Ich wollte, daß er noch nicht einschlief.
    »Tom«, flüsterte ich. »Tom. Warum willst du ein Baby sein?« Er sprach mit dünner, klagender Stimme, als wollte er gleich weinen.
    »Du zerdrückst mich ja.« Er gab mir von unter dem Laken einen schwachen Tritt. »Du zerdrückst mich und das ist mein Bett, du.« Seine Stimme versagte und seine Augen

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