Der Zorn des Highlanders
nicht darüber – nicht, wenn sie ihm noch länger fern war. Genau genommen hatte ihn die Entdeckung seiner Gefühle für Avery nur gequält, bis Payton ihm seinen Plan offenbart hatte. Er musste alldem ein Ende bereiten, musste sie in den Armen halten und ihr sagen, was er empfand, sie vielleicht sogar um Verzeihung bitten. Vielleicht wäre es gerechter und anständiger, Avery eine Wahlmöglichkeit zu lassen, aber er hatte nicht die Kraft, das zu riskieren.
Als er Paytons eindringlichem Blick begegnete, drängte sich Cameron der Eindruck auf, dass dieser Mann ein nobles Opfer sowieso nicht gutheißen würde. Payton wusste, dass Avery und er miteinander geschlafen hatten. Er hatte den Spieß nun umgedreht und tat, was er tun konnte, um seiner Schwester einen Ehemann zu verschaffen. Jung-Payton verhielt sich dabei weitaus liebenswürdiger und verständnisvoller, als Cameron sich benommen hatte, aber hinter seiner guten Stimmung verbarg sich stählerne Entschlossenheit, das ahnte Cameron. Es gab nur eine Möglichkeit, dem jetzt ein Ende zu bereiten: Indem er Payton sagte, dass er Avery weder haben wollte noch liebte. Doch selbst wenn er seine früheren Geständnisse nun komplett widerrief, wenn er solche Lügen ausspucken könnte, würde ihm Payton wohl nicht glauben. Und wenn Payton ihm glaubte, wäre ein Kampf nicht mehr zu vermeiden, denn Payton würde völlig zu Recht die Notwendigkeit sehen, gegen Cameron zu kämpfen – wenn nicht zur Wiederherstellung von Averys Ehre, so doch als Rache für die ihr zugefügten Schmerzen.
»Ich weiß, dass sich die meisten Männer unwohl fühlen, bevor sie ihr Eheversprechen geben«, warf Payton ein, »aber Ihr seht beinahe gequält aus. Ihr habt mir doch gestanden, dass Ihr sie liebt und zur Frau haben wollt. Nach allem, was ich gehört habe, seid Ihr ganz verrückt nach ihr gewesen. Wo liegt also das Problem?«
»Nicht bei mir«, erwiderte Cameron, »aber sie empfindet vielleicht nicht das Gleiche.«
»Sie hat das Bett mit Euch geteilt.«
»Leidenschaft.«
»Damit gehen die Frauen meines Clans wunderbar freigiebig um – allerdings immer nur gegenüber einem einzigen Mann. Sie hat mir gesagt, dass sie Euch liebt.«
»Sie könnte das gesagt haben, um Eurer Wut über unsere Affäre zuvorzukommen.«
»Und warum denkt Ihr, dass ich nicht ohnehin wütend war?«, fragte Payton mit gedämpfter Stimme, sprach aber weiter, bevor Cameron etwas darauf erwidern konnte. »Meine Schwester wäre nicht Eure Geliebte geworden, hätte sie nicht viel mehr als nur Leidenschaft für Euch empfunden. Es stimmt schon, die Frauen meines Clans sind nicht die zartbesaiteten, errötenden Mädchen, die viele Männer so mögen. Aber sie besitzen sehr hohe Moralvorstellungen.«
»Ich habe nicht behauptet, dass Avery keine Moralvorstellungen hat«, raunzte Cameron, der sich fragte, ob Payton es tatsächlich auf einen Streit abgesehen hatte.
»Es hätte ja sein können, schließlich war sie bereit, vor der Heirat mit einem Mann zu schlafen. Aber das scheint bei den Murray-Frauen gang und gäbe zu sein. Wobei sie nur mit dem Mann schlafen, von dem sie mit Sicherheit sagen können, dass er ihr Auserwählter ist.«
»Was?«
»Avery hat Euch erwählt. Drücken wir es einmal so aus: Sie ist zu der Überzeugung gekommen, dass Ihr der Mann ihres Lebens seid. Es ist verrückt, wie viele Unannehmlichkeiten Murray-Frauen ertragen, um den einmal erwählten Lebensgefährten zu erobern. Wie nicht anders zu erwarten, verstehen ihre Erwählten nicht immer auf Anhieb, wie glücklich sie sich schätzen können. Avery hat Euch erwählt, sie will Euch haben und sagt, dass sie Euch liebt. Also gebe ich, als ihr liebender Bruder, mein Bestes und sorge dafür, dass sie Euch bekommt.«
»Es würde mir jetzt sehr helfen, wenn Avery irgendwann einmal darüber gesprochen hätte. Aber alles, was ich je von ihr gehört habe, waren ein paar verwirrte Geständnisse, als sie im Fieber lag. Sie hat zu keiner anderen Zeit über ihre Gefühle geredet.«
»Wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich mehr Vertrauen in ihren Fieberwahn setzen. Und ich nehme an, dass Ihr solchen Gefühlsäußerungen nicht gerade Vorschub geleistet habt. Wahrscheinlich hat sie auf ein Signal von Euch gewartet, aber Ihr habt nur von Abschied gesprochen.«
Dem konnte er nichts entgegensetzen, stellte Cameron verdrießlich fest. Wenn er jetzt Zweifel hatte, war das in der Tat seine eigene Schuld. Er war zwar nicht fähig gewesen, sie von seinem Bett
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