Der Zorn des Highlanders
überführen, wird Cameron wegen allem, was passiert ist, ein ziemlich schlechtes Gewissen haben, denn er wird dann wissen, dass alles auf einer Lüge aufgebaut war. Wahrscheinlich hält er sich für den größten Narren aller Zeiten. Keine dieser beiden Möglichkeiten wird in ihm den Wunsch wecken, mich bald wiederzusehen.«
»Schuldgefühle und Verlegenheit können einem Mann schwer zu schaffen machen und stark genug sein, ihn in seinem Handeln völlig zu lähmen. Soll ich ihn für dich lesen?« Elspeth streckte ihre Hand aus.
Es war feige, aber Avery nickte und gab ihrer Cousine den Brief. »Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass sich irgendetwas ändert. Wenn die Hochzeit stattgefunden hat, denkt Cameron, dass wir nicht zusammen sein können, und er wird dasselbe denken, wenn die Hochzeit nicht stattgefunden hat.«
»Unsinn. Es gibt immer einen Weg. Und vielleicht ist es an der Zeit, dass wir ein paar Wege suchen.«
»Was meinst du damit?«
»Schauen wir erst einmal, was Payton zu sagen hat.«
Avery ballte und öffnete ihre Hände im Schoß, während Elspeth den Brief las. Nach einer Weile begann sie sich zu fragen, ob ihre Cousine eine langsame Leserin war oder den Brief mehrmals las. Letzteres erschien ihr äußerst Unheil verkündend. Ebenso die in Falten gelegte Stirn ihrer Cousine.
»Etwas ist nicht in Ordnung, nicht wahr?«, fragte Avery schließlich.
»In Ordnung schon, aber ausgesprochen seltsam. Payton möchte, dass du zu ihm kommst, aber er drückt sich etwas undeutlich aus. Er schreibt, dass es etwas mit der Hochzeit zu tun hat und mit gewissen Dingen, die er entdeckt hat.«
»Meinst du, er braucht meine Hilfe, um die Wahrheit herauszubekommen?«
»Vielleicht, aber ich denke, in diesem Fall hätte er jeden von uns freiheraus fragen können. Ach du lieber Himmel, hoffentlich hat er nicht herausgefunden, dass der Vater von Katherines Kind einer aus unserem Clan ist! Dann könnte es sein, dass er erst einmal nur mit dir reden will, denn du kennst dich in der Sache am besten aus, weißt, welche Fragen zu stellen sind und wonach man suchen muss.«
»Wenn es einer von unseren Männern war, wäre es wahrscheinlich das Beste, wenn er sofort nach Cairnmoor reiten würde. Wenn das bekannt wird, könnte es sein, dass er hier nicht mehr sehr beliebt ist. Maman ist ziemlich unglücklich wegen dieser Geschichte. Tja, ich fürchte, es bleibt mir nichts anderes übrig, als Payton zu fragen. Aber wie soll ich denn zu ihm kommen? Es ist ein längerer Ritt bis nach Cairnmoor. Selbst wenn wir uns auf halbem Weg treffen würden, bedeutet das, dass ich mindestens drei Tage unterwegs bin.«
»Falls Katherine noch immer nicht verheiratet ist, werden die MacAlpins den einzigen Mann, den sie für sie haben, nicht für ein paar Tage ziehen lassen wollen«, überlegte Elspeth.
»Oh nein, natürlich nicht«, murmelte Avery.
»Er schlägt ein Treffen vor, in einer kleinen Kirche unweit von Cairnmoor. Er möchte, dass du dich bei Nacht davonschleichst. Einige Männer, die du schon kennst, werden dich zu ihm zu bringen. Er nennt einen Leargan, einen Klein-Rob, einen Colin, einen Knappen Gil und zwei seiner eigenen Männer, Jamie und Thomas. Ich frage mich, wie Camerons Leute dazu kommen, sich Payton anzuschließen?«
Avery machte ein nachdenkliches Gesicht und tat Elspeths Frage mit einem Schulterzucken ab. Sie wollte nicht mehr in die Nähe von Cairnmoor kommen – es sei denn, Cameron schickte nach ihr. Außerdem stellte sich die Frage, was sie ihren Eltern sagen sollte. Wenn sie nach all den Wirren der letzten Wochen jetzt einfach für eine Woche verschwand, wäre ihre Familie außer sich vor Sorge.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Eltern so in Angst und Schrecken versetzen darf.«
»Hier ist noch ein zweiter Brief, der ihnen auszuhändigen ist, bevor sie sich um deine Sicherheit Sorgen machen.« Elspeth tätschelte Averys verkrampfte Hände. »Sollte es Aufregung geben, werde ich mein Bestes tun, um sie zu beschwichtigen, und wenn es nötig ist, werde ich ihnen sogar von diesem Brief erzählen. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Avery seufzte und wurde kurzzeitig von Traurigkeit überschwemmt. Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an, was sie seit ihrer Abreise aus Cairnmoor viel zu oft getan hatte. Offensichtlich hatte sie die kleine Hoffnung genährt, Payton würde ihr mitteilen, dass Cameron sie vermisse oder sogar plane, sie zurückzuholen.
»Avery, euer Abschied liegt erst knapp über
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