Der Zorn des Highlanders
sollte mir Avery einen Sohn schenken, nicht mein Erbe sein. Dennoch ist er mein Sohn. Ich habe diesen Jungen noch nie zu Gesicht bekommen, aber ich möchte ihn bei mir haben.«
»Er ist Euer Fleisch und Blut. Verständlicherweise wollt Ihr das. Es wird dauern, aber Ihr bekommt ihn. Elspeth und Cormac sind traurig darüber, aber sie wussten, dass es irgendwo einen Vater gibt, der den Jungen vielleicht zu sich nehmen will. Und sie werden auch sehr froh darüber sein, dass es Averys Zuhause ist, wo Allan letzten Endes leben wird.«
»Avery und Gillyanne behaupten, dass er genauso aussieht wie ich.«
»Ja, obwohl er nicht Euer grüblerisches Wesen hat.«
»Nun, vielleicht habe ich das auch bald nicht mehr.« Er spannte sich an, als im Eingang der Kirche plötzlich Anne auftauchte.
»Sie kommt«, verkündete sie und bestimmte, schon wieder im Weggehen: »Ich halte das Gebräu bereit, Ihr holt den Priester!«
»Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob wir Avery wirklich dieses Getränk geben sollen«, grübelte Cameron.
»Avery mag sich vielleicht nach Eurem dunklen, verschlossenen Gesicht sehnen, aber sie wird über diese List wütend sein und ein paar Erklärungen und Geständnisse von Euch erwarten. Wollt Ihr wirklich jetzt Rede und Antwort stehen?«
Cameron zögerte nicht. »Nein. Ich hoffe nur, das Gebräu verliert seine Wirkung noch vor unserer Hochzeitsnacht.«
Avery blickte sich zweifelnd um, als sie auf die Kirche zuritten. Es war eine lange, aber nicht unerfreuliche Reise gewesen. Das Wetter war schön geblieben, und die Männer waren angenehme Begleiter. Allerdings waren sie nicht sonderlich mitteilsam. Noch immer wusste sie nicht, warum Payton nach ihr geschickt hatte. Mit jeder Meile hatte sich ihr Argwohn verstärkt, wie oft sie sich auch sagte, dass das nicht gerecht war und dass diese freundlichen Männer solche misstrauischen Gedanken nicht verdienten.
Der Anblick von Anne und Thérèse vor der Kirchentür munterte sie auf. Andererseits verstärkte er ebenfalls ihren Argwohn. Denn sie konnte sich keinen guten Grund für die Anwesenheit der Frauen denken. Aber sie freute sich dennoch und lächelte, als sie abstieg und die beiden herbeieilten, um sie zur Begrüßung zu umarmen. Durstig vom Ritt nahm sie bereitwillig das Getränk, das sie ihr reichten. Nach einem Schluck hob sie aber fragend die Augenbrauen.
»Das schmeckt, na ja, anders«, murmelte sie. »Es ist so etwas wie Met.«
Anne nickte. »Da ist Met drin, aber nicht sehr viel, weil ich weiß, dass er Euch zu Kopf steigt.«
»Ja, und ich brauche einen klaren Kopf, um mit Payton zu sprechen. Wo ist er denn?«, fragte sie und trank ein weiteres Mal. Es schmeckte nicht schlecht und löschte ihren Durst.
»Er wartet in der Kirche auf Euch. Aber er hat gesagt, wir könnten Euch vorher ein oder zwei Augenblicke lang sprechen.«
»Das ist nett von ihm.« Sie lächelte die Frauen strahlend an. »Es ist sehr schön, Euch zu sehen. Ich habe euch beide vermisst.« Sie legte die Stirn in Falten, als Thérèse umherwirbelte und ihr sorgfältig den Staub von den Röcken bürstete. »Ich würde mir keine Gedanken darüber machen, Thérèse, Payton stört das bisschen Schmutz nicht.«
Thérèse nahm Averys Umhang ab und warf ihn Leargan zu. »Gott schon.«
Avery brauchte etwas länger, als ihr gut schien, um den Einwurf zu verstehen. »Oh ja. Vermutlich sollte man so gut wie möglich aussehen, wenn man eine Kirche betritt. Vielleicht sollte Payton mich hier draußen treffen.« Sie trank aus und warf den Kelch Leargan zu, der ihn geschickt auffing, während sie sich fragte, was in sie gefahren war, so etwas zu tun.
»Nein«, erwiderte Anne, die Averys langen Zopf zu lösen begann. »Er wird sich Ungestörtheit wünschen.«
»Will Gott auch, dass ich offene Haare trage?«
»Der Haarschmuck sieht viel hübscher aus, wenn Eure Haare offen und gut gebürstet sind.«
»Selbstverständlich. Das ergibt Sinn.«
Eine leise Stimme in ihrem Kopf sagte Avery, dass es keinen Sinn ergab, doch sie verspürte nicht die Neigung, darauf zu hören. Wenn sie Annes und Thérèses freundliche Aufmerksamkeiten infrage stellte, konnte dies zu Unfrieden führen, und plötzlich wollte Avery nicht mehr die kleinste Spur von Unfrieden. Zum ersten Mal, seit sie Cairnmoor verlassen hatte, fühlte sie sich glücklich. Etwas in ihr war bestürzt über ihr sanftes und blindes Glücksgefühl, aber da das wiederum verdächtig nach Unfrieden klang, verbannte sie diesen Gedanken
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