Der Zug war pünktlich
Kartoffeln. Und noch einmal Fleisch, so etwas Ähnliches wie Goulasch, ganz knusperi-ges Goulasch. Noch einmal Gemüse, Salat. Endlich etwas Grünes. Und immer Wein dazu, Willi schenkt ein, sehr hoheitsvoll, und lacht dazu.
»Die ganze Hypothek wird heute draufgemacht, es lebe die Lemberger Hypothek!« Sie stoßen an auf die Lemberger Hypothek …
Eine ganze Reihe Nachtische. Wie in Frankreich, denkt Andreas. Erst Pudding, richtiger Pudding mit Eiern drin.
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Dann kommt ein Stück Kuchen mit heißer Vanillesauce.
Dazu trinken sie wieder Wein, den Willi einschenkt, sehr süßen Wein. Dann kommt etwas sehr Kleines, das winzig auf einem weißen Teller liegt. Es ist etwas mit Schokoladenüberguß, Blätterteig mit Schokoladenüberguß und Sahne drin, richtiger Sahne. Schade, daß es so klein ist, denkt Andreas. Sie sprechen kein Wort, der Blonde träumt immer noch, es ist beängstigend, sein Gesicht zu sehen, er hat den Mund offen und kaut und ißt und trinkt. Zum Schluß kommt tatsächlich Käse. Verdammt, genau wie in Frankreich, Käse mit Brot, und dann ist Schluß. Käse schließt den Magen, denkt Andreas, und sie trinken wei-
ßen Wein dazu, weißen Wein aus Frankreich … Sauternes
…
Mein Gott, hat er nicht Sauternes getrunken in Le Tréport auf einer Terrasse über dem Meer, Sauternes, der köstlich war wie Milch, Feuer und Honig, Sauternes in Le Tréport auf einer Terrasse über dem Meer an einem Sommerabend, und sind an diesem Abend nicht die geliebten Augen bei ihm gewesen, fast so nah wie damals in Amiens? Sauternes in Le Tréport. Das ist der gleiche Wein. Er hat ein gutes Geschmacksgedächtnis. Sauternes in Le Tréport, und sie war bei ihm mit Mund und Haaren und ihren Augen, das alles vermag der Wein, und es ist gut, zu dem weißen Wein Brot und Käse zu essen …
»Kinder«, sagt Willi gut gelaunt, »hat es euch denn geschmeckt?« Ja, es hat ihnen wirklich geschmeckt, und sie fühlen sich sehr wohl.
Sie sind nicht überfressen. Man muß beim Essen Wein trinken, das ist herrlich. Andreas betet … man muß nach dem Essen beten, und er betet sehr lange – während die anderen zurückgelehnt sitzen und rauchen, hat Andreas die 87
Arme auf den Tisch gestützt und betet …
Das Leben ist schön, denkt er, es war schön. Zwölf Stunden vor meinem Tode muß ich einsehen, daß das Leben schön ist, das ist zu spät. Ich bin undankbar gewesen, ich habe geleugnet, daß es eine menschliche Freude gibt.
Und das Leben war schön. Er wird rot vor Verlegenheit, rot vor Angst, rot vor Reue. Ich habe doch wirklich geleugnet, daß es eine menschliche Freude gibt, und das Leben war schön. Ich habe ein unglückliches Leben gehabt
… ein verfehltes Leben, wie man so sagt, ich habe gelitten jede Sekunde unter dieser scheußlichen Uniform, und sie haben mich totgeschwätzt, und sie haben mich bluten gemacht auf ihren Schlachtfeldern, richtig bluten, dreimal bin ich verwundet worden auf den Feldern der sogenann-ten Ehre, da bei Amiens und unten bei Tiraspol und dann in Nikopol, und ich habe nur Dreck gesehen und Blut und Scheiße und habe nur Schmutz gerochen … nur Elend …
nur Zoten gehört, und ich habe nur eine Zehntelsekunde lang die wirkliche menschliche Liebe kennengelernt, die Liebe von Mann und Weib, die doch schön sein muß, nur eine Zehntelsekunde lang, und zwölf Stunden oder elf Stunden vor meinem Tode muß ich einsehen, daß das Leben schön war. Ich habe Sauternes getrunken … auf einer Terrasse über Le Tréport am Meer, und auch in Cayeux, in Cayeux habe ich auch Sauternes getrunken, auch an einem Sommerabend, und die Geliebte ist bei mir gewesen …
und in Paris habe ich auf diesen Boulevardterrassen gehockt und mich vollgepumpt mit einem anderen herrlichen gelben Wein. Ganz gewiß ist die Geliebte bei mir gewesen, und ich habe nicht vierzig Millionen zu durchsuchen brauchen, um glücklich zu sein. Ich habe gedacht, ich hät-te nichts vergessen, alles hatte ich vergessen … alles …
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und dieses Essen war schön … Auch das Schweineherz und der Käse, und der Wein hat mir die Erinnerung ge-schenkt, daß das Leben schön war … noch zwölf Stunden oder elf Stunden …
Ganz zuletzt denkt er noch einmal an die Juden von Czernowitz, dann fallen ihm die Juden von Lemberg ein, von Stanislau und von Kolomea, und das Geschütz da unten in den Ssiwasch-Sümpfen. Und der, der gesagt hat: Das sind ja gerade die eminenten Vorzüge der 3,7 Pak …
und die arme, häßliche, frierende Hure
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