Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.
Berechtigung als angeboren bezeichnet werden wie die Homosexualität.« Die Homosexualität sei natürlich nicht die Ursache seiner abwegigen Triebbefriedigung, sondern gebe ihr nur die Richtung, nämlich durch die Tötung von Jungen befriedigt zu werden. Bresser sah Bartschs Mordmotiv nicht nur rein sexuell bedingt. Bartsch habe aus einem Drang heraus gemordet, der in dieser Form fast einmalig sei. Bresser zitierte Bartsch: »Der einzige Grund zur Tötung der Kinder war für mich der, daß ich sie später nach der Tötung auseinanderschneiden wollte. Ich habe Stück für Stück die Eingeweide herausgenommen und betastet. Dann habe ich die Arme gelöst, das Geschlechtsteil abgeschnitten, das Fleisch von Armen und Beinen vollständig gelöst. Die Knochen der Arme und Beine habe ich an eine Stelle gelegt, während ich das Fleisch an einer anderen Stelle aufhäufte. . . weil mir das aufgehäufte Fleisch eine besondere Erregung verschaffte. Natürlich habe ich diese Fleischstücke wieder eingehend befühlt und berochen. Dieses Zerteilen mag etwa anderthalb Stunden gedauert haben. Während der gesamten Zeit war ich in großer sexueller Erregung.«
Dr. Bresser faßte die vielgestaltige Motivation für Bartschs Lustmorde zusammen: »Bei Bartsch handelt es sich offensichtlich um einen sadistisch veranlagten, homosexuellen, pädophilen Triebverbrecher, bei dem auch gewisse Neigungen zur Nekrophilie und zum Fetischismus vorzuliegen scheinen. . . Alle diese Ausdrücke dienen aber nur der Beschreibung. Weder der Ausdruck Sadismus noch die Begriffe Homosexualität, Pädophilie, Nekrophilie oder Fetischismus entsprechen einer psychologischen oder psychiatrischen Diagnose. Wir würden vielleicht allgemein von einem Tötungstrieb sprechen«.
Dr. Bresser warnte davor, Bartsch nur als brutalen Psychopathen anzusehen. »Er vermag durchaus sittlich zu empfinden und sein Tun selbst streng zu verurteilen.« Bartsch habe selbst die Ambivalenz in seinem Innern geschildert: »Wenn man so was an sich hat, dann will man und man will nicht. Aber ich konnte es doch nicht lassen, das ist ja die blöde Doppelschichtigkeit.« Bartsch sagte, sein Trieb überfalle ihn wie ein Raubtier. Er hätte deshalb niemals aufhören können zu morden. Dieser Widerspruch, seine Taten als Verbrechen zu werten und sie dennoch fortzusetzen, veranlaßte den Gutachter zu folgendem Urteil: »Er besitzt das, was wir Gemüt nennen. Seine willentliche Steuerung schlug lediglich unter dem Einfluß der ihn weitgehend beherrschenden Triebimpulse um, stellte sich ganz in den Dienst der wohlbedachten Tatausführung und entzog sich dem Einfluß des besseren Ich.« Durch seine aggressiven und sadistischen Phantasien hätte Bartsch seine erhebliche Affektstärke kaum steuern können. Im Widerspruch dazu sagte Dr. Bresser dann jedoch, trotzdem sei Bartsch seinem Trieb nicht willenlos ausgeliefert gewesen: »Vielmehr war er in jeder Situation in der Lage, sein Verhalten rationell zu steuern.« Er unterbrach die Folter, um heimzukehren, legte Pausen ein, als die Polizei nach ihm fahndete.
Triebe steuerbar oder nicht? Willensentscheidung frei oder unfrei? Bartsch voll verantwortlich oder nicht? Diese Fragen stellten sich naturgemäß beim Gerichtsprozeß. Die psychiatrischen Gutachter nannten Bartsch voll verantwortlich für seine Taten. Er wurde am 15. Dezember 1967 als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Widerspruch zwischen den traditionsgebundenen Verfechtern der menschlichen Willensfreiheit und den naturwissenschaftlich orientierten Kritikern dieses Dogmas kam in den Worten des Gerichtsvorsitzenden zum Ausdruck, die er zum Schluß an Bartsch richtete: »Vielleicht kommt einmal der Zeitpunkt in Ihrem Leben – der Herrgott möge Sie dabei unterstützen –, daß Sie Ihren Trieb zügeln können, was Sie bisher nicht konnten.«
Konnte Bartsch seinen Trieb nicht zügeln, weil dieser stärker war als sein Wille? Warum wurde er dann dafür verantwortlich gemacht? Oder konnte er ihn nicht zügeln, weil er es nicht wollte, weil er seine Lust höher setzte als das Leben anderer Menschen?
Ein zweiter Prozeß revidierte das Lebenslänglich-Urteil auf zehn Jahre Jugendstrafe und Einweisung in eine Heilanstalt.
»Der Prozeß ist zu Ende«, schrieb damals Kriminalhauptkommissar Hinrichs. »Bleibt aber nicht ein Rätsel um diesen Jürgen Bartsch? Wer wollte sagen, daß es jemals zu lösen sein wird? Vielleicht helfen künftige
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