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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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wissenschaftliche Erkenntnisse weiter, vielleicht hilft Bartsch selbst, es eines Tages zu lösen.«
    Und Bartsch versuchte, es auf seine Weise zu lösen. Er beantragte seine Kastration. Bei der Operation wurde das Narkosemittel falsch dosiert. Bartsch verstarb an Herzversagen und Atemlähmung.
    Der Fall Bartsch löste seinerzeit in der Bundesrepublik tiefe Bestürzung aus. Wie war es möglich, fragte Kriminaloberrat Bauer, daß in der dichtestbevölkerten Gegend Europas, im Ruhrgebiet, fünf Jahre lang ein anfänglich fünfzehnjähriger Lehrling einem reißenden Wolf gleich durch die Straßen zog, um Kinder zu verschleppen, die er nachts töten wollte?
    Wie andere Triebtäter war auch Bartsch nicht durch die Ermittlungstätigkeit der Polizei, sondern durch eigene Unvorsichtigkeit entlarvt worden. Dabei ist es unwichtig, diese Unvorsichtigkeit als unbewußten »Selbstverrat« zu deuten, denn Bartsch hatte geäußert, er hätte es nicht mehr lange ausgehalten, weiter zu morden.
    Nicht die Polizei hat den Triebtäter gestellt, sondern ein nachdenklicher Bürger. Bei der Suche nach den vermißten Kindern hatte die Polizei zwar eine gigantische Fahndung eingeleitet, aber keine brauchbaren Hinweise erhalten. Kriminaloberrat Bauer kritisierte, daß die Überprüfung von Vermißtenmeldungen nicht landesweit koordiniert wurde. So konnte anfangs kein Zusammenhang zwischen ähnlichen Umständen bei der Entführung der Kinder hergestellt werden, der auf einen Serienmörder hingedeutet hätte.
    Die Leichen der Vermißten waren nicht aufgefunden worden. Gerade an der Leiche aber läßt sich viel über den Tathergang und den Täter ablesen.
    Erschwert wurde die Ermittlung auch, weil Bartsch nicht als Sexualstraftäter erfaßt war. Die Jungen, die Bartsch sexuell mißbraucht hatte, hatten aus Angst oder Scham geschwiegen. So erschien Bartsch in keiner Kartei der einschlägig Vorbestraften und geriet daher nicht in Verdacht.
    Kriminalhauptkommissar Hinrichs kam deshalb zu der Überzeugung, selbst bei kritischster Betrachtung sei der Polizei kein Versäumnis vorzuwerfen.
    Kriminaloberrat Bauer ging jedoch bei der Verteidigung der Polizei etwas zu weit, wenn er schrieb: »Ferner haben wir alle, Fachleute und Laien, kaum mehr an die Existenz solcher Menschen wie Jürgen Bartsch geglaubt. Die Fachwelt hatte die Erfahrungen früherer Jahrhunderte und auch der letzten Jahrzehnte nicht mehr gegenwärtig, so die Taten der Massenmörder Seefeldt, Denke, Haarmann und Kürten, von denen die jüngeren unter uns nur noch die Namen, nicht aber mehr die Taten kennen. Zudem war man nicht darauf vorbereitet, mit derartigen Morden durch Jugendliche oder halbe Kinder zu rechnen.« Hatte die bundesrepublikanische Polizei, die schon damals mit explosiv anwachsender Kriminalität – auch der Jugendkriminalität – konfrontiert war, wirklich ein solches Bild einer heilen Welt?
    Während sich die Polizei für ihre Mißerfolge rechtfertigte, sparte sie nicht mit Schuldzuweisungen an andere. Die Bevölkerung sei nicht wachsam gegenüber ersten Anzeichen gewesen. Bartsch hätte den Taxifahrern auffallen müssen, die ihn und seine Opfer transportiert hatten. Der Vater Franks, des ersten Opfers von Bartsch, hätte den Täter früher identifizieren sollen. Eltern hätten ihre Kinder zu mehr Mißtrauen gegenüber Fremden erziehen müssen. Mitschuld an den letzten Morden wurde auch einem katholischen Kaplan zugesprochen, dem Bartsch seinen ersten Mord gebeichtet hatte. Der Kaplan hätte Bartsch dazu bewegen sollen, von weiteren Morden abzusehen.
    Bartsch selbst hat, wie die meisten Triebtäter, seine Verbrechen nicht nur äußerst kaltblütig durchgeführt, sondern sie auch sorgfältig vorbereitet und danach die Spuren verwischt. Der stille und scheinbar sozial angepaßte junge Mann tarnte sich auch meisterhaft vor seinen Eltern. Sie merkten nicht, daß er nächtelang das Haus verließ, um seinen sexuellen Unternehmungen nachzugehen, daß er kräftig in die Ladenkasse griff, um die Dienstleistungen seiner homosexuellen Freunde zu bezahlen. Es gelang ihm immer wieder, unbeobachtet mit seinen Opfern in die Mordhöhle zu gelangen. Er suchte sich körperlich schwächere Opfer und zwang die überlebenden zu schweigen. Er verstand es, die Opfer mit Versprechungen an sich zu locken.
    Wie bei Kürten, bei Dahmer, bei Tschikatilo stellt sich am Schluß die bittere Frage: Warum so viel Aufwand, um hinter die Maske der Serienmörder zu blicken, wenn es denn so ist, wie der

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